Ulrich Lepsch Sparkasse SPN
Fotoatelier Goethe

Interview des Monats im Deutschen Handwerksblatt"Da fehlen uns die Worte"

Der Bilanz-Skandal bei Wirecard hat das Potenzial, in der Kriminalgeschichte Deutschlands einen festen Platz zu bekommen. Wir haben beim Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Spree-Neiße, Ulrich Lepsch, nachgefragt.



DHB: Herr Lepsch, immer mehr Details zu Wirecard kommen an die Öffentlichkeit. Wie ist Ihre Meinung zu den Geschehnissen?

Ulrich Lepsch: Wirecard gleicht wahrlich einem Wirtschaftskrimi, der seinesgleichen sucht. Man fragt sich zurecht, wie kann so etwas passieren. Aufseher, Prüfer, Banken und politische Instanzen – über Jahre hinweg wollte niemand richtig hinschauen und trotz zunehmender offenkundiger Zweifel das Geschäftsmodell hinterfragen.

Während wir Banken und Sparkassen mit immer mehr zunehmender Aufsicht und Regulatorik zu kämpfen haben, täuscht Wirecard vor den Augen staatlicher Behörden und Ministerien zehntausende Anleger. Trotz klarer Fakten- und Sachlage dauerte es Wochen, bis jemand Verantwortung übernahm, um Transparenz zu schaffen. Da fehlen uns, wie vielen anderen ehrbaren Geschäftsleuten, die Worte.



Ulrich Lepsch Sparkasse SPN
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DHB: Wirecard und andere rücken die gesamte Branche immer wieder in ein schlechtes Licht. Noch misstraut jeder Zweite den Banken. Bei Ihnen ist das anders. Wie stärken Sie das Vertrauen zu Ihren Kunden?

Ulrich Lepsch: Wirecard ist keine Bank und sollte deshalb nicht in einem Atemzug mit Sparkassen und Banken genannt werden. Gerade wir Sparkassen haben sehr gute Image- und Vertrauenswerte und liegen laut externen Umfragen nach wie vor auf Rang eins in der Branche. Die Menschen können schon differenzieren und gut einschätzen, wem sie ihr Geld anvertrauen. Sie wissen, dass wir dank unserer sicheren, stabilen und soliden Geschäftspolitik mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen.

Wir sind hier vor Ort und immer persönlich für unsere Kunden da. Das haben wir auch in der Corona-Zeit bewiesen. Für unsere Mitarbeiter war es selbstverständlich, ihren Kunden zur Seite zu stehen. Wir waren da, haben zugehört und geholfen. Alle unsere Geschäftsstellen hatten jederzeit geöffnet. Diese Verlässlichkeit schätzt auch unser Mittelstand.

Gerade in dieser unsicheren Zeit, als über Nacht die Umsätze wegbrachen, waren wir ein verlässlicher Partner und haben unseren Unternehmern mit schneller und pragmatischer Unterstützung Sicherheit gegeben. Wir haben alle unsere Geschäftskunden angerufen, taggleich Kredit- und Liquiditätshilfen zugesagt und ihnen durch den Antrags-Dschungel der Hilfs- und Förderprogramme geholfen. In dieser außergewöhnlichen Situation waren wir nicht nur erster Ansprechpartner für Finanzen, sondern oft auch Psychologe und Motivator. 

 

DHB: Nach der Finanzkrise wurden die Spielregeln für Banken verschärft. Wie hat sich das bei Ihnen ausgewirkt?

Ulrich Lepsch: Die regional tätigen Sparkassen haben bereits in der Finanzkrise ihre Position als wichtiger Stabilitätsanker für den deutschen Bankenmarkt bewiesen. Trotzdem bekommen wir in allen Bereichen die immer weiter zunehmenden und völlig unverhältnismäßigen Vorschriften zu spüren, die uns nicht nur erhebliche Kosten verursachen, sondern häufig auch die Arbeit erschweren. In Kombination mit den seit Jahren anhaltenden Niedrig-, Null- und jetzt Minuszinsen ist es für Banken eine echte Herausforderung, wirtschaftlich zu arbeiten.              

Die positive Entwicklung der Sparkasse Spree-Neiße resultiert aus der stringenten und stabilen Geschäftspolitik, die auf eine langfristige Anlagestrategie und straffe Kostenstrukturen setzt. Damit sind wir seit vielen Jahren nachhaltig erfolgreich und zählen zu den rentabelsten Kreditinstituten Deutschlands. Dank unserer hohen Ertragskraft konnten wir langfristig Rücklagen bilden und ein sehr gutes Eigenkapitalpolster aufbauen. Wir sind für die Zukunft hervorragend gerüstet, um alle kommenden Herausforderungen besonnen zu meistern.

 

DHB: Befürchten Sie, dass es im Zuge von Wirecard erneut zu Regelverschärfungen kommt und wenn ja, was würde dies für die Sparkasse Spree-Neiße bedeuten?

Ulrich Lepsch: Im Fall Wirecard haben nicht allein die Regeln versagt, sondern auch die dahinterstehenden Menschen. Das zeigt, dass mehr Regeln nicht unbedingt zu mehr Sicherheit führen. Bevor die Regulatorik immer mehr ausufert, sollten die derzeit geltenden Regeln auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Es ist richtig und wichtig, große und international tätige Finanzunternehmen mit komplexen Geschäftsprozessen eng zu kontrollieren. Aber diese Maßstäbe dürfen nicht eins zu eins auf kleine, regional und bodenständig agierende Institute wie die Sparkassen mit ihrem einfachen und klaren Geschäftsmodell übertragen werden.

Bereits jetzt kämpfen wir mit einem überbordenden Regelwerk, dessen Umfang und Komplexität nicht immer ein Erkenntnisgewinn oder Nutzen gegenübersteht. Zunehmende Bürokratisierung und Reglementierung setzen einen engen Handlungsrahmen für unternehmerisches Handeln. Sie machen es immer schwieriger, effektive Prozesse darzustellen und kosten zudem viel Zeit und Kraft. Kraft, die wir lieber in unsere Kunden, unsere Region und ihre Menschen, investieren. Es fragte: Michel Havasi

 Hintergrund

Der deutsche Finanzdienstleister Wirecard ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, als Bilanztricksereien bekanntwurden. Der Zahlungsabwickler aus dem Münchner Umland war im Juni nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Es ist einer der größten Finanzskandale der Nachkriegszeit.

Im Oktober soll ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnehmen. Es solle unter anderem geklärt werden, ob Regierung und Behörden ihren Pflichten nachgekommen seien und ob sie Straftaten und Manipulationen früher hätten entdecken können. Der Untersuchungsausschuss soll so Schlussfolgerungen für eine Reform der Aufsichts- und Wirtschaftsprüferstrukturen, die Geldwäscheaufsicht sowie die Strafverfolgung von Bilanzbetrug liefern.



Michel Havasi

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