Strukturwandel Tagebau Braunkohle
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Forderungen der Handwerkskammern Cottbus und DresdenStrukturwandel in der Lausitz gelingt nur mit dem Handwerk

Für die Menschen in der Region sind mit dem Strukturstärkungsgesetzes und den zugesagten Finanzhilfen konkrete Hoffnungen verbunden. Ob diese Hoffnungen berechtigt sind, wird sich bis Ende des Jahres zeigen — bis dahin sollen das Strukturstärkungsgesetz und das Kohleausstiegsgesetz beschlossen werden.

Handwerk als Partner der Strukturentwicklung

Ziel des Gesetzes ist es in den von dem Ausstieg aus Braunkohleabbau und - verstromung betroffenen Regionen in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen den Verlust von Wertschöpfung auszugleichen, wirtschaftliches Wachstum zu fördern, Beschäftigung zu sichern und einen nachhaltigen Strukturwandel zu ermöglichen. Die Wirtschaftsorganisationen des Handwerks haben sich in den bisherigen Planungsprozess der Strukturentwicklung eingebracht und wollen, als Partner und Unterstützer, nach langer Zeit des Beratens, jetzt auch an die Umsetzung gehen. Aus Sicht der regionalen Wirtschaft bedarf es jedoch noch einiger substantieller Anpassungen des aktuellen Gesetzesentwurfs zur Strukturstärkung, um das Ziel eines nachhaltigen Strukturwandels in den Kohleregionen zu erreichen.

Neue regionale Wertschöpfung für die Kohleregionen

Erklärtes Ziel des zu verabschiedenden Strukturstärkungsgesetzes ist es, den Verlust von regionaler Wertschöpfung im Zuge des Strukturwandels auszugleichen. So lautete auch das Versprechen der Politik. Um dieses Ziel zu er-reichen, sind in dem aktuellen Entwurf eine Vielzahl an Maßnahmen — primär aus dem Bereich Infrastrukturausbau — vorgesehen. Der Infrastrukturausbau ist zu Recht eine wesentliche Säule des bevorstehenden Strukturentwicklungsprozesses; die regionale Wirtschaft ist auf den Ausbau der Infrastruktur angewiesen, von ihm hängt auch die Anziehungskraft des Standortes für neue Ansiedlungen ab. Der Infrastrukturausbau ersetzt aber keine Wertschöpfung und ist, mit Blick auf den Strukturwandel, alleine nicht tragfähig. Auch die in dem aktuellen Gesetzesentwurf für die Lausitz enthaltenen ergänzenden Maßnahmen in anderen Bereichen sind nicht annähernd suffizient, um die wegfallende Wertschöpfung in der Region durch neue Wertschöpfungsquellen zu ersetzen.

Ausgewogener Branchenmix für einen nachhaltigen Strukturwandel

Die Zukunft der Lausitz und der regionalen Wirtschaft hängt langfristig auch davon ab, ob es gelingt einen ausgewogenen Branchenmix aus Industrie, Handwerk und Dienstleistungen zu erhalten und weiter auszubauen. Eine nachhaltige Strukturentwicklung wird ohne die Einbeziehung von Mittelstand und Handwerk nicht realisierbar sein. Aus diesem Grund darf die Rechnung nicht ohne das Handwerk gemacht werden. Die Förderung der Leistungsfähigkeit dieses Wirtschaftsbereiches, als wesentlicher Bestandteil einer gelingenden Strukturentwicklung, muss dafür explizit als Förderschwerpunkt im Gesetzestext verankert werden.

Förderfähigkeit des Handwerks festschreiben

Die bisher strikte Eingrenzung der Förderbereiche — ungeachtet der anschließenden Nennung von weiteren Auswahlkriterien bei Investitionen in den Förderbereichen, wie Arbeitsplatzschaffung und -erhalt oder Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur — legt nahe, dass Handwerk und Mittelstand von den Finanzhilfen für den Strukturwandel in der Region, wenn überhaupt, nur indirekt bedacht werden sollen. Neben allgemein flexibleren Förderbedingungen, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, ist die substantielle Förderfähigkeit von strukturstärkenden Maßnahmen für die regionale Wirtschaft und speziell das Handwerk von großer Bedeutung.

Folgende Bereiche müssen förderfähig sein: Ausbildung und Fachkräfteentwicklung, Digitalisierung, Forschung und Innovation, Gründung und Nachfolge, Netzwerke und Cluster, sowie Wirtschaftsförderung und -beratung. Wir erwarten, dass das endgültige Strukturstärkungsgesetz die Förderung der genannten Bereiche für das Handwerk im Strukturentwicklungsprozess festschreibt. Die Politik sollte mit Blick  auf den Strukturwandel mehr auf die Stärken und die Tatkraft, die Anpassungs- und Innovationsfähigkeit des Handwerks in der Region vertrauen. Förderung und Entlastung bestehender Unternehmen als wesentlicher Bau-stein der Strukturentwicklung

Sonderabschreibungen für Unternehmen, die in einem vorhergehenden Entwurf enthalten waren sowie weitere Entlastungen wie Investitionszulagen oder Steuererleichterungen für bestehende Unternehmen und Gründer — zum Beispiel über die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone — sind aus unserer Sicht unumgänglich. Auf ihre politische Umsetzbarkeit muss nun verstärkt hingewirkt werden. Gleiches gilt für Sonderbedarfszuweisungen an die Länder, die ohne investive Zweckbindung weitere strukturstärkende Maßnahmen, auch für den Mittelstand und das Handwerk, ermöglichen können. Auch die Rolle, die bürokratische Belastungen und verkrustete Verwaltungsstrukturen für die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft spielen, und die Frage wie die bestehenden Strukturen und Prozesse wirtschaftsfreundlich verändert werden können, muss in diesem Kontext berücksichtigt werden.

Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen

Die Digitalisierung hat großes Potential Verwaltungsverfahren zu beschleunigen und zu verbessern. Die Lausitz kann mit Blick auf die Vereinfachung und Digitalisierung von Verwaltungsprozessen als zukünftige Modellregion dienen. Die in der Entwurfsfassung enthaltenen Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung — bisher sind lediglich die Änderung des Bundesfernstraßen- und des Eisenbahngesetzes mit Zuweisung der erstinstanzlichen Zuständigkeit an das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen — bleiben weit hinter den Erfordernissen der Strukturentwicklung in der Region zurück. Auf die von der regionalen Wirtschaft geforderten beschleunigten Verwaltungsverfahren wurde in dem vorliegenden Entwurf nicht eingegangen; dabei hängt die schnelle Umsetzung eines Großteils der geplanten infrastrukturellen Maßnahmen von einer Beschleunigung der notwendigen Verwaltungsprozesse ab. Das Anfang Mai im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellte Forderungspapier der Industrie- und Handels-, Handwerks-, Ingenieur- und Architektenkammern der ostdeutschen Braunkohlegebiete bietet viele Ansätze die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen zu realisieren. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist für den weiteren Strukturentwicklungsprozess von fundamentaler Bedeutung.

Strukturentwicklung bei Ausbauverzögerung alternativer Energien nicht gefährden

Eine allzu enge Kopplung der Finanzhilfen an den Fahrplan zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, wie im Gesetzesentwurf vorgesehen, bewerten wir äußerst kritisch. Sollte der Ausbau der erneuerbaren Energien, zum Beispiel aus Gründen der Versorgungssicherheit, nicht wie geplant sondern mit Verzögerungen vorangehen, darf es nicht zu einer Verzögerung oder Unterbrechung des Strukturentwicklungsprozesses kommen. Ohnehin muss die Strukturentwicklung mit deutlichem zeitlichem Vorlauf zu dem Ausstiegsprozess erfolgen, um die bestehenden wirtschaftlichen Strukturen zu stärken und Fachkräften eine Perspektive zu bieten und sie so in der Region zu halten.

Finanzhilfen langfristig durch einen Staatsvertrag absichern

Letztlich muss die Verbindlichkeit der im bisherigen politischen Prozess durch die Bundesebene gemachten Zusagen sich noch wesentlich deutlicher in dem Gesetzestext widerspiegeln. Die Festschreibung der Finanzierung der Strukturförderung im Rahmen eines begleitenden Staatsvertrages ist unerlässlich, um die Planungssicherheit und die Gewährung der Finanzhilfen auch über die aktuelle Legislaturperiode hinaus auf eine solide politische und rechtliche Basis zu stellen.

Nachhaltiger Strukturwandel gelingt nur mit dem Handwerk

Wir sind überzeugt, dass ein nachhaltiger Strukturwandel in der Lausitz nur unter der Einbeziehung von Handwerk und Mittelstand gelingen kann. Wir werden uns mit unseren Ideen zur Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz deshalb auch weiterhin in den politischen Prozess und bei der Umsetzung der Maßnahmen in der Region einbringen.

 Hintergrund

Die 19.000 Handwerksbetriebe mit knapp 84.000 Beschäftigten und 4.000 Auszubildenden in der Lausitz sind mittelbar vom Kohleausstieg betroffen. Es geht um eine jährliche Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro, die ersetzt werden muss. Laut einer Umfrage der Handwerkskammern Cottbus und Dresden zum „Strukturwandel in der Lausitz“ aus 2018 blicken mehr als 60 Prozent der befragten Unternehmen sorgenvoll in die Zukunft. Sie befürchten im Zuge des Braunkohleausstiegs den Verlust von Kaufkraft, die Abwanderung und Abwerbung von Fachkräften aus der Region und eine steigende Steuer- und Abgabenlast.

 Forderungspapier

Gemeinsame Forderungen der Kammern zur Beschleunigung von
Planungs- und Genehmigungsprozessen in den Braunkohlerevieren.





Michel Havasi

Pressearbeit

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