Keine generelle Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Entgegen missverständlichen Medienmeldungen hat der Bundestag am 17. September 2020 mit dem Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes nicht beschlossen, dass die seit März 2020 ausgesetzte Pflicht zur Insolvenzantragstellung über den Zeitpunkt 30. September 2020 hinaus verlängert wird.
Die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragsfrist bis zum 31.12.2020 betrifft nur einen von drei gesetzlichen Insolvenztatbeständen bei juristischen Personen - die Überschuldung, wie das Bundesjustizministerium.
Überschuldung liegt nach § 19 Insolvenzordnung (InsO) vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Zweck der Überschuldungsprüfung ist die stichtagsbezogene Darstellung der Fähigkeit des Schuldnervermögens zur Deckung aller Verbindlichkeiten (Sonderbilanz).
Der weitaus häufigste Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. Der Schuldner ist nach § 17 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen in der Lage ist, 90 Prozent seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen. Die zu einem bestimmten Stichtag vorhandenen liquiden Mittel sind den jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen.
Ein weiterer Insolvenzgrund ist die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO). Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Hier kann aber nur der Schuldner selbst den Antrag stellen.
Die Aussetzung der Insolvenzantragsfrist wegen dem Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit endet weiterhin am 30.09.2020 und wird nicht verlängert.
Damit Geschäftsführer oder Vorstände juristischer Personen nicht in die persönliche Haftung geraten oder sich strafbar machen, muss jetzt mit Blick auf die auslaufende Frist dringend geprüft werden, ob durch die Wirtschaftssituation der vergangenen Wochen Zahlungsunfähigkeit im Unternehmen eingetreten ist. Diese Prüfung sollte gemeinsam mit dem Steuerberater erfolgen.
Ist Zahlungsunfähigkeit eingetreten, muss unverzüglich ein Insolvenzantrag gestellt werden. Bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit können mit Unterstützung sachkundiger Personen auch eine Insolvenz in Eigenverwaltung oder ein Schutzschirmverfahren in Betracht kommen.
Hintergrund
Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht erklärt dazu:
"„Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden. Die bestehende Unsicherheit macht vielen Unternehmen weiterhin zu schaffen. Deshalb haben wir heute im Kabinett beschlossen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zielgerichtet in beschränktem Umfang zu verlängern."