"Mittelstand ist die Kuh, die gemolken wird"
Die Auftragsbücher bei Tischlermeister Matthias Baum sind pickepacke voll. Das Geschäft brummt. Doch von guter Laune keine Spur. Der 49-Jährige hat die Schnauze voll.
„Wir haben nach meiner Meinung aber eine Bundesregierung die mit Nichten die Interessen der Mehrheit der Bürger dieses Landes vertritt. Das kann so nicht länger kommentarlos hingenommen werden“, beschreibt der Unternehmer in einer Mail, die einen offenen Brief der Kreishandwerkerschaft (KH) Halle-Saalekreis unterstützt. Die Handwerker forderten darin das Ende der Sanktionen gegen Russland und äußerten "Sorgen um die Zukunft unserer Kinder und Enkel, Sorgen um den Fortbestand unserer Betriebe, Sorgen um unser Land."
Matthias Baum macht sich auch Sorgen. Die Energiepreise explodieren. Der Strompreis steigt von 14 auf 27 Cent je Kilowattsunde. Rund 45.000 Kilowattstunden verbraucht der Handwerksbetrieb aus Guben (Spree-Neiße). Im Mai ist er mit seiner Firma, in der sechs Tischler, drei Lehrlinge, drei Rentner und eine Bürokraft arbeiten, auf das neue Gelände in der Grunewalder Straße gezogen. Rund 150.000 Euro mehr als veranschlagt, kosteten der Umbau und die Sanierung des Objekts.
Mehr Druck ausüben
Die viel diskutierte Gasumlage ist der letzte Tropfen auf dem heißen Stein. „Die Energieversorger verzichten zum größten Teil auf die Gasumlage, weil sie nicht benötigt wird. Unsere Außenministerin vergibt Millionengeschenke nach Moldau, weil dort die Energiepreise explodieren. In der gleichen Situation sind wir doch auch!“, skizziert Matthias Baum. Er fordert von der Handwerkskammer und anderen Organisationen, dass sie solche offenen Briefe unterstützen, mehr Druck auf die Politik ausüben, um das Handwerk zu schützen.
Es sei eigentlich wie immer. „An die Industrie wurden und werden auf Grund von Lobbyarbeit am laufenden Band Geschenke gemacht. Läuft es gut werden Milliardengewinne erwirtschaftet. Läuft es schlechter, sollen wir sie retten. Wer trägt da das so genannte unternehmerische Risiko, von dem ich in solchen Zeiten immer höre? Der Mittelstand ist die Kuh, die immer gemolken wird. Man vergisst aber, dass eine Kuh nur Milch gibt, wenn man sie grasen lässt“, sagt er.
Fast alle Unternehmen in Deutschland gehören zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Gut die Hälfte der in Unternehmen Beschäftigten arbeiteten 2020 in KMU. Nur werden diese immer wieder vergessen, wenn es um Unterstützung geht. Als verlässlicher Steuerzahler und Sponsor für Vereine usw. hingegen sind sie gern gesehen.
Baustellen verzögern sich
Als Tischlermeister und Restaurator des Handwerks arbeitet Matthias Baum an vielen prestigeträchtigen Objekten mit. Die Humboldt-Universität zählt ebenso dazu wie die Staatsoper „Unter den Linden“. In der Denkmalpflege spielen die Materialpreise keine große Rolle, da spielt die handwerkliche Arbeit die zentrale Rolle. Beim Möbel- und Innenausbau hingegen schon. Hier schlagen die Preise voll durch. Der Unternehmer hätte sich gewünscht, dass Gleitklauseln auch in bestehenden Verträgen angewendet werden.
Erschwerend hinzukommt, dass sich viele Baustellen verzögern, Termine nicht eingehalten werden, das Material aber schon eingekauft wurde. „Der Berg an finanziellen Vorleistungen, den wir vor uns herschieben, wird so immer größer“, beschreibt Matthias Baum. Die Arbeit macht ihm nach wie vor großen Spaß. Auf das Drumherum aber könnte er gut und gerne verzichten.
Ansprechpartner
Pressearbeit
Telefon 0355 7835-200
Telefax 0355 7835-283