Zeiterfassung: Was erlaubt und verlangt das Arbeitsrecht?
Noch gibt es in Deutschland keine generelle gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Das aber dürfte sich bald ändern. Worauf sich Arbeitgeber einstellen müssen – und warum es so wichtig ist, sich heute auf das Arbeitsrecht von morgen vorzubereiten.
Wann beginnt die Arbeit, wann endet sie, welche Pausen hat der Mitarbeiter gemacht? Viele Arbeitgeber erfassen diese Informationen schon heute. Tag für Tag. Und für jeden einzelnen Mitarbeiter. Das macht zwar Mühe, hat aber enorme Vorteile: Eine akribische Arbeitszeiterfassung vereinfacht nicht nur die Buchführung und Lohnabrechnung, sondern gibt Betrieben auch die Kontrolle über die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung inklusive Überstunden. Arbeitnehmer profitieren ebenfalls, denn durch eine exakte Zeiterfassung können sie stets belegen, wann und wie lange sie gearbeitet haben. Eine generelle Pflicht zur Zeiterfassung gibt es in Deutschland derzeit zwar nicht. Das allerdings könnte sich schon bald ändern, wie die Deutsche Handwerkszeitung schreibt.
Grund ist ein Urteil, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Mai 2019 gesprochen hat. Die Luxemburger Richter entschieden: Der Schutz des Arbeitnehmers und die EU-Arbeitszeit-Richtlinie (2003/88/EG) verlangen von allen Unternehmen, ein System zur Erfassung der täglichen effektiv geleisteten Arbeitszeit zu schaffen. Vor allem kleinere Unternehmen, die derzeit noch keine Zeiterfassung anbieten, sind nun verunsichert, was zu tun ist.
Gutachten zeigt, wie die Arbeitszeiterfassung künftig aussehen könnte
Bislang hat der Gesetzgeber noch keine neuen Vorschriften auf den Weg gebracht. Allerdings hat das Bundesarbeitsministerium ein Gutachten erstellen lassen, das belegt: Die aktuellen Regelungen in Deutschland genügen nicht den Anforderungen des EU-Rechts. Entsprechend gibt das Gutachten auch Empfehlungen, wie eine gesetzliche Regelung zur Erfassung der Arbeitszeit aussehen könnte. Konkret schlägt es vor, den Arbeitgeber zu verpflichten, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jeweils am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen. Gleichzeitig aber soll es die Möglichkeit geben, diese Pflicht auf die Arbeitnehmer zu übertragen. Möglich sein sollen sowohl Aufzeichnungen auf Papier als auch eine elektronische Dokumentation.
Bis der Gesetzgeber tätig wird, gilt in Deutschland zwar die alte Rechtslage weiter. Angesichts der bevorstehenden Novelle tun Unternehmen aber gut daran, ihre derzeitige Praxis bei der Arbeitszeiterfassung schon einmal auf den Prüfstand zu stellen. So können sie mögliche Defizite erkennen und auf die kommenden Änderungen besser reagieren.
Für wen ist die Arbeitszeiterfassung Pflicht?
Auch wenn in Deutschland noch keine generelle Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit besteht, gibt es doch etliche Fälle, in denen eine Aufzeichnung dann doch vorgeschrieben ist. Sonderregeln etwa gelten für geringfügig Beschäftigte, die nicht im privaten Bereich arbeiten und für Wirtschaftsbereiche, in denen eine besondere Missbrauchsgefahr besteht. Sie sind im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt. Dazu zählen etwa das Baugewerbe, Gaststätten und Herbergen, Speditions-, Transport und Logistikbereich, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau sowie die Fleischwirtschaft. Auch Zeitungszustellerinnen und -zusteller sowie Beschäftigte bei Paketdiensten müssen regelmäßig ihre Arbeitszeit aufzeichnen. Damit sind auch viele Branchen betroffen, die für das Handwerk relevant sind.
Für jeden Arbeitgeber relevant sind zudem die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Es enthält zwei Vorschriften, die ebenfalls eine Pflicht zur Zeiterfassung normieren – wenn auch nur in begrenztem Umfang: § 16 Abs. 2 verpflichtet Arbeitgeber, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter aufzuzeichnen. Wenn ein Arbeitnehmer an einem Werktag also mehr als acht Stunden Dienst tut, muss das besonders niedergelegt werden. Zudem gibt es eine Aufzeichnungspflicht, wenn an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird.
Doch so verlockend es klingt, nur Überstunden und Feiertagsarbeit zu dokumentieren: Einen Gefallen tun sich Arbeitgeber damit nicht. Der Grund: "Wenn die reguläre Arbeitszeit nicht aufgezeichnet wird, kann naturgemäß auch die Überzeit nicht dargelegt werden", warnen Experten. Schon deshalb sind auch kleine Betriebe gut beraten, über ein allgemeines Zeiterfassungssystem nachzudenken.
Dafür sprechen auch die Regelunge des sogenannten Nachweisgesetzes. Es regelt in § 2 Abs 1, dass die vereinbarte Arbeitszeit und die Vergütung eines Mitarbeiters schriftlich niederzulegen sind. Aus dieser Regelung resultiert zwar keine ausdrückliche Pflicht zur Zeiterfassung. Ohne sie kommt es im Fall eines Streitfalls aber zu einer Beweislastumkehr zulasten des Handwerksbetriebs. Der Arbeitgeber muss dann belegen, wie lange der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet und welchen Lohnanspruch er entsprechend hat. Das dürfte ihm ohne detaillierte Aufzeichnungen kaum gelingen.
Arbeitszeiterfassung: Welche Daten gehören dazu – was muss der Arbeitgeber dokumentieren und wie muss er mit den Daten umgehen?
Um Arbeitszeiten rechtssicher zu dokumentieren, müssen Arbeitgeber den Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Beschäftigten aufzeichnen. Wichtig: Pausenzeiten gehören nicht zur Arbeitszeit, sind also herauszurechnen. Die Dokumentation muss innerhalb von sieben Tage erfolgen.
Grundsätzlich genügt es, die Aufzeichnungen zwei Jahre lang aufzubewahren. Da die Zeiterfassungen aber meist auch Grundlagen der Lohnbuchhaltung sind, können sie bis zur allgemeinen buchhalterischen Aufbewahrungsfrist gespeichert werden – in der Regel sechs Jahre.
Was gilt bei der Arbeitszeitfassung für den Datenschutz?
Bei jeder Arbeitszeiterfassung erhebt der Arbeitgeber personenbezogene Daten seiner Mitarbeiter und muss entsprechend die strengen Datenschutzregeln der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beachten.
Das gilt insbesondere, wenn sie dabei auf digitale Systeme setzen und – zum Beispiel über eine App – nicht nur die Einsatzzeiten eines Beschäftigten erfassen, sondern auch ein Bewegungsprofil erstellen. In diesem Fall müssen Arbeitgeber von den betreffenden Kollegen eine Einwilligung zur Erhebung und Speicherung der Daten nach der DSGVO einholen.