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Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)Urlaub verjährt nicht automatisch nach drei Jahren

Freie Urlaubstage verfallen nur noch, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten vorher aktiv darauf hinweisen. Das hat nun das Bundesarbeitsgericht entschieden

Nach dem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (9 AZR 266/20) müssen Arbeitgeber ihre Beschäftigten auf bestehende Urlaubsansprüche hinweisen und warnen, dass sie verfallen, wenn kein Urlaubsantrag gestellt wird. Sehen sie tatenlos zu, kann Urlaub oder Resturlaub auch noch Jahre später beansprucht werden. Eine dreijährige Verjährungsfrist beginne "erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat", erklärte das Gericht, wie die Deutsche Handwerkszeitung mitteilt.



Die Fälle

Verhandelt wurden zwei Fälle aus Nordrhein-Westfalen: In einem ging es um 101 wegen Arbeitsüberlastung nicht genommene Urlaubstage einer Steuerfachangestellten aus mehreren Jahren. Im anderen um 14 Tage Resturlaub einer Krankenhausangestellten nach deren langwieriger Krankheit, die verfallen sollten.



Viele Klagen möglich

Ob das Urteil zu einer Klagewelle führt – darüber gehen die Meinungen von Arbeitsrechtlern auseinander, auch darüber, wie lange zurückgeblickt werden kann. Das Gericht ließ den Zeitraum offen. Er fürchte, "dass es nun zu zahlreichen Klagen zu lange beendeten Arbeitsverhältnissen kommt", sagte der Anwalt der Arbeitgeberseite in der Verhandlung. "Viele Arbeitnehmer haben bei laufenden Arbeitsverhältnissen Angst, ihre Rechte durchzusetzen", so der Anwalt einer Klägerin. In den beiden Fällen ging es um Urlaubsansprüche, die bis zum Jahr 2014 zurückreichten.



Die Bedeutung des Urteils

Die höchstrichterliche Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitnehmer – ihre Position ist bei Streit um nicht genommenen Urlaub gestärkt. "Oft ist das der Fall bei einem Jobwechsel oder wenn ein Arbeitsverhältnis aus einem anderen Grund aufgelöst wird", sagte der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing. "Bisher haben sich einige Arbeitgeber auf die Verjährungsfrist von drei Jahren verlassen – aber die gilt nun nicht mehr automatisch."



Regeln für Verfall sowie Verjährung von Urlaub

Bei Kontroversen um die Verjährung von Urlaub gelten nun ähnliche Regeln, die das Bundesarbeitsgericht bereits 2019 zu der Frage aufgestellt hat, wann Urlaub verfällt. Erstmals nahmen sie damals die Arbeitgeber in die Pflicht, aktiv zu werden: Sie müssten ihre Beschäftigten "klar und rechtzeitig" auf nicht genommenen Urlaub hinweisen. Mit den Entscheidungen schlossen die Richter eine Lücke im Bundesurlaubsgesetz, das zu diesen Fragen keine Aussagen trifft. Ganz grundsätzlich sind Arbeitnehmer in Deutschland laut Gesetz angehalten, ihren Urlaub möglichst im laufenden Kalenderjahr zu nehmen.



Europäischer Gerichtshof stellte Weichen

Das Bundesarbeitsgericht hatte die beiden Fälle aus NRW vor seiner Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgelegt. Er sollte prüfen, ob europäisches Recht eine Verjährung des Urlaubsanspruchs gestatte, "wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben". Die Entscheidung im September war eindeutig: Nein, sagte der Gerichtshof in Luxemburg. Urlaub könne nicht verjähren oder bei langer Krankheit verfallen, wenn Arbeitgeber ihren Informations- und Mitwirkungspflichten nicht nachkämen, so der EuGH. Das wurde nun in deutsches Recht umgesetzt. "Es wird nicht die allerletzte Entscheidung sein zum Urlaubsrecht", sagte der Vorsitzende Richter Heinrich Kiel in der Verhandlung.



Urlaub nach langwieriger Krankheit

Grundsätzlich gilt nach Angaben von Arbeitsrechtler Thüsing, dass Urlaub bei langwieriger Krankheit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt. Diesen Grundsatz bestätigte das Gericht am 20. Dezember. Allerdings kommt es nicht zum Urlaubsverfall, wenn Arbeitnehmer im betreffenden Jahr zumindest teilweise gearbeitet haben und ihr Chef seine Informationspflichten verletzte. Arbeitgeber hätten Mitwirkungsobliegenheiten und ein Interesse, dass sich Urlaub nicht anstaue und bezahlte Erholungszeiten eingehalten würden. (Quelle: dpa, Deutsche Handwerkszeitung)

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