EWE WP Hatten 2017 Techniker Pascal Mühlhausen
EWE AG

"Wir haben nie zugeschaut, sondern immer vor- und mitgemacht"

Rund 14.000 Kilometer Erdgas- und 130 Kilometer Wärmeleitungsnetz hat der EWE-Konzern in den neuen Bundesländern gebaut, rund 160.000 Kunden versorgt das Unternehmen mit Erdgas und Strom in der Region Brandenburg/Rügen. Im Interview erklärt Dr. Ulrich Müller, EWE-Generalbevollmächtigter, welche Wettbewerbsvorteile das Unternehmen hat und welche Herausforderungen die Energieversorgung der Zukunft an alle stellt.

DHB: Herr Müller, die EWE AG unterstützt seit vielen Jahren den Zukunftspreis Brandenburg. Was bedeutet der Wettbewerb für Sie und welches Potenzial steckt in ihm?

Dr. Ulrich Müller: Der Zukunftspreis macht die Energie, das Engagement und die Ideen der Brandenburger Wirtschaft sichtbar. Er zeigt dabei nicht nur die unternehmerische Stärke, sondern fördert Ideen und mutiges Unternehmertum und vor allem die Region.

Wir sind ein regional verankertes Unternehmen  und sehr stark daran interessiert, dass es der Region gut geht. Im Unterschied zu vielen anderen Unternehmen haben wir uns im wahrsten Sinne des Wortes mit der Region verbunden, nämlich mit vielen Tausend Kilometern Leitungen, die in der Erde liegen. Die nimmt man nicht einfach so raus und geht woanders hin.

Das heißt, wir sind auf lange Zeit mit der Region verwurzelt. Und deshalb ist es uns wichtig, dass die Region wirtschaftlich und gesellschaftlich gedeiht. Dazu gehören Unternehmen, die in der Region für Zukunft sorgen, die mit Ideen am Markt agieren können, die vernünftige Geschäftsmodelle aufbauen und nachhaltig sind.

DHB: EWE selbst ist in vielen Zukunftsbranchen unterwegs: Erneuerbare Energien, Speicher, Glasfaser usw. Klingt nach einem spannenden Job?

Ulrich Müller: Absolut. Als ich vor 20 Jahren einstieg, war EWE mein 7. Arbeitgeber. Ich habe gesagt, dass machst du mal so fünf bis 10 Jahre. Ich hätte nie gedacht, dass es dann 20 Jahre werden.

DHB: Eine lange Zeit...

Ulrich Müller: Ja, aber  EWE hat sich  in dieser Zeit stark gewandelt, so dass es immer spannend blieb. In den 1990er Jahren ging es im Wesentlichen  darum, Gasleitungen zu bauen, Hausanschlüsse zu verlegen und die Menschen mit Erdgas zu versorgen. Da musste man schnell und zuverlässig sein, um gegen andere Wettbewerbsenergien wie Öl, Kohle und Flüssiggas zu bestehen. Das haben wir alles geschafft. Heute geht es um intelligente Lösungen, die Vernetzung von Gebäudetechnik, um optimierte Verbräuche und um verschiedene Energieträger.

Wir haben in Brandenburg eine Netzanschlussquote von über 87 Prozent, d.h. 87 Prozent aller Haushalte in unserer Region können mit Erdgas versorgt werden. Insofern ist dies auch eine Erfolgsstory.



Portrait Ulrich Müller 2019
EWE



DHB: Die Lausitz steht vor einem großen Strukturwandel, der auch zu einer Erfolgsstory werden soll. Sie haben in Großräschen und Senftenberg gelernt, in Cottbus studiert. Mit welchen Gefühlen blicken Sie derzeit auf die Region?

Ulrich Müller: In der Lausitz haben wir das Phänomen, dass wir auf der einen Seite „unansehnliche Industrieanlagen“ haben, auf der anderen Seit dort aber Tausende Menschen arbeiten und gutes Geld verdienen. Wenn man heute darüber redet  Alternativjobs zu generieren, dann kann das zum Beispiel nicht das Fahren für einen Paketzusteller sein, sondern dann müssen das Jobs sein, die adäquat sind und ebenso attraktiv und gut bezahlt werden. Momentan fehlt mir noch die Fantasie, diese Herkulesaufgabe alleine durch eine staatliche Lenkung so zu steuern, dass man die derzeitige Attraktivität an Arbeitsplätzen wieder schafft.

DHB: Wie steht es denn um die Versorgungssicherheit? Wir sind es gewohnt, 24 Stunden am Tag Strom aus der Steckdose haben...

Ulrich Müller: Wir haben in Deutschland 80 Millionen Energieexperten, aber leider sehr viel weniger die den Unterschied zwischen Arbeit und Leistung kennen. Da geht es schon los. Unterscheiden müssen wir zwischen einem Arbeitstier wie einem Kohlekraftwerk und der Leistungsfähigkeit einer installierten PV- oder Windkraft-Anlage. Das ist ein Riesenunterschied. Das eine ist nicht gewollt und macht viel Schmutz. Aber das andere leistet einfach nicht das, was wir uns wünschen, nämlich 24 Stunden Strom aus der Steckdose.

Einig sind wir uns aber alle:  fossile Energieträger haben keine Zukunft. Erstens, weil sie endlich sind und zweitens weil sie  einen enormen Schaden anrichten, wenn man nicht sachgemäß umgeht. Es braucht also Lösungen, um weiterhin 24/7 eine zuverlässige Energieversorgung zu haben.

DHB: Ganz Europa schaut auf Deutschland und das Megaprojekt Energiewende. Neben Wasserstoff, Photovoltaik und Speichern spielt die Windkraft eine zentrale Rolle. EWE war einer der ersten, der Windparks gebaut hat. Derzeit aber herrscht Flaute beim Ausbau von Windrädern an Land...

Ulrich Müller: Wir drohen an zu komplexen, ausufernden Genehmigungsverfahren und an einer Gesetzgebung zu scheitern, die langsam die Balance aus Gemeinwohl und Einzelinteressen verliert. Wenn es um Genehmigungen geht, laufen zum Teil Ökonomie und Naturschutz konträr zueinander. Das hemmt massiv.

DHB: Wir brauchen doch aber einen Zubau von Windanlagen, um die Energiewende zu schaffen?

Ulrich Müller: Ja. Was wir als Industriestandort brauchen, ist eine zuverlässige Stromversorgung. Da ist insbesondere der Ausbau der Stromnetze wichtig. Auch Leitungsbau hat immer wieder Berührungspunkte zu Menschen, die sich beeinträchtigt fühlen und dagegen klagen. Wir alle sind sehr schnell dabei, zu sagen, Braunkohle muss weg, nur dann muss dafür etwas anderes entstehen. Das zu lösen ist eine Mammutaufgabe und für uns alle.

DHB: Wir kann man dem Ausbau von Windkraft wieder Flügel verleihen?

Ulrich Müller: Häufig werden Windenergieanlagen dort gebaut, wo keine unmittelbare Abnahme des Stromes erfolgt – also ein Abtransport erforderlich ist, dafür wiederum benötigen wir  Stromleitungen– die erstens nicht schnell gebaut werden können und zweitens fast immer nur unter Protest. . Wir stecken da in einem echten Dilemma. Ministerpräsident Dietmar Woidke hat einen guten Vorschlag gemacht: Es könnte über die Teilhabe gehen. Er sagt, wir müssen die Menschen, die durch solche Anlagen betroffen sind, finanziell beteiligen. Ich finde, das ist eine gute Idee, Windkraft wieder salonfähig zu machen und die Akzeptanz zu erhöhen.

DHB: EWE war immer ein Pionier bei neuen Technologien. Profitieren Sie heute noch von diesem Pioniergeist?

Ulrich Müller: Ja. Man muss sich aber auch immer wieder neu erfinden. Bei jeder Entwicklung, die stattfindet, ist man entweder vorn dabei oder man schaut zu. EWE hat nie zugeschaut. Wir haben die DNA eines Pioniers. Und wir versuchen auch immer, die Themen ganzheitlich zu betrachten, uns vielseitig aufzustellen.  So bündeln wir in unserem Unternehmen mit Energie, Telekommunikation und IT das Know-how für intelligente Energiesysteme und ermöglichen damit Konzepte aus einem Guss. Grundlage unseres Handelns ist unsere Vision: Wir machen aus Innovationen einfach Alltag.

DHB: Wie gelingt der Spagat, einerseits Pionier zu sein, andererseits im Hintergrund die Dinge sauber abzuarbeiten?

Ulrich Müller: Entscheidend sind die Mitarbeiter und deren Begeisterung für unsere Themen. Unsere Mitarbeiter leben diese Leidenschaft für Energie, schnelles Internet, smarte Lösungen usw. Da darf man als Unternehmen nicht nur mit alten Hüten arbeiten, sondern muss sich neben den Marktbedürfnissen auch den Bedürfnissen der Mitarbeiter stellen.

Unsere Leidenschaft und Philosophie übertragen wir auch auf junge Menschen, zum Beispiel im Zuge einer exzellenten Ausbildung  in unserem Ausbildungszentrum in Oldenburg und auch hier in Brandenburg. Wir gehen aber auch in Schulen, um komplexe Themen leicht verständlich an die zukünftige Generation  zu vermitteln. Für uns ist dabei immens wichtig in die Köpfe zu bringen, dass durch den  bewussten Umgang mit Energie jeder helfen kann, das Klima zu schützen. Und gleichzeitig wollen wir die jungen Leute für Naturwissenschaften und Technik begeistern und nicht ganz uneigennützig technische Berufe attraktiv machen.

Das Interview führte Michel Havasi

 Zukunftspreis Brandenburg 2019

Zwölf Unternehmen sind für den wichtigsten Wirtschaftspreis des Landes nominiert. Am 22. November werden die Gewinner gekürt.

Alle Informationen unter www.zukunftspreis-brandenburg.de



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