Zimmerermeister Markus Hammitsch
privat

"Wir können viel voneinander lernen"

Zimmerermeister Marcus Hammitsch aus Heidesee, südlich von Berlin, war im November als Entwicklungshelfer in Ruanda. Im Interview mit dem Deutschen Handwerksblatt spricht er über seine Erfahrungen, die er in einer für ihn völlig fremden Welt gesammelt hat.

Die Schreckensgeschichten hat man fast aus dem Gedächtnis verdrängt: Todesschwadronen, die mit Macheten durch ruandische Dörfer marodieren und Zivilisten massakrieren. Mordkommandos, die Flüchtlingslager umzingeln, dort eindringen und Menschen mit Hiebwaffen niedermetzeln. „Selbstverteidigungseinheiten“, die in Kirchen voller geflüchteter Tutsi erst Handgranaten werfen, um dann die noch Lebenden mit Säbeln umzubringen. Die Geschwindigkeit des Genozid, des Völkermords in Ruanda, der vor 20 Jahren begann, ist in der Geschichte der Menschheit beispiellos: Rund 800.000 bis eine Million Menschen wurden in nur 100 Tagen umgebracht.

Stück für Stück kämpft sich das Land zurück in für uns „normale“ Verhältnisse.   Mit der „Vision 2020“ strebt Ruanda an, bis 2020 ein Land mittleren Einkommens zu werden. Der Anteil der Armen soll auf unter 30 Prozent sinken. Hierfür benötigt Ruanda in den nächsten Jahren hohe Wachstumsraten. Hier kommt die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH) im Auftrag des BMZ  und damit ausgewählte Handwerker wie Marcus Hammitsch ins Spiel.

DHB: Herr Hammitsch, es kommt nicht häufig vor, dass selbstständige Unternehmer als Entwicklungshelfer ins Ausland gehen. Wie kamen Sie dazu?

Marcus Hammitsch: Wir haben im Freundeskreis jemanden, der Kontakte zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat. Sie haben ein Programm entwickelt, das deutsche Handwerker unter anderem in afrikanische Länder bringt.  Ich habe eine Bewerbung geschrieben und wurde angenommen. Insgesamt sind wir neun Handwerker – darunter Dachdecker, Elektriker, Maler – aus ganz Deutschland.

DHB: Wo waren Sie eingesetzt?

Marcus Hammitsch: Ich war in Ruanda, in einem Ort namens Muhanga, in etwa so groß wie eine deutsche Kleinstadt, eingesetzt. Hier betreute ich einen Handwerkerhof mit ca. 250 bis 300 ruandischen Handwerkern. Die Arbeitsstätte besteht aus vier offenen Hallen mit einer Größe von 30 mal 15 Metern. Die Handwerker haben sich mit ihren Maschinen in diese Hallen eingemietet. Die meisten von ihnen sind Tischler. Sie produzieren Schränke, Tische, Stühle, Betten aber auch Särge in Größenordnungen.

Von diesen Handwerkerhöfen gibt es viele in Ruanda. Das hat einen tieferen Sinn. Die Bezirksregierungen wollen kein zersiedeltes Handwerk mehr, sondern die Unternehmen an einem Ort konzentrieren ähnlich unseren Gewerbegebieten. Sie haben Gebäude geschaffen, wo die Handwerker arbeiten können.

DHB: Das klingt nach vielen Menschen auf einem begrenzten Raum...?

Marcus Hammitsch: Ja, für uns Europäer wirkt es auf den ersten Blick ungewohnt und etwas chaotisch.  Wenn man aber lange genug dort gewesen ist, versteht man das System, das sich dahinter verbirgt. Das ist sehr interessant. Jeder hat seine Aufgabe, eigentlich wie bei uns. Es gibt Menschen, die handwerklich tätig sind, andere verkaufen die dazu benötigten Baustoffe. Wiederum andere versorgen die Arbeiter mit vor Ort über offenem Feuer zubereitetem  Mittagessen. Und auch die Putzkolonne ist dort, die macht die Sägespäne bspw. unter den Hobeln weg und räumen das Restholz weg. Es läuft alles einfacher und unbedarfter ab.

DHB: Was genau war Ihre Aufgabe?

Marcus Hammitsch: Ich sollte beobachten, analysieren und feststellen, ob es einen Bedarf an Hilfe gibt. Was für Strukturen gibt es? Welche Netzwerke existieren zwischen den Handwerkern? Daneben sollte ich auch die kaufmännische Seite betrachten. Woher kommt das Holz? Wie viel kostet die Produktion? Für wie viel verkaufen sie die Produkte und an wen?

DHB: Und, gibt es einen Bedarf an Hilfe?

Marcus Hammitsch: Ja, den gibt es. Vor allem beim Thema Sicherheit.

DHB: Könnten Sie das für uns etwas näher erläutern?

Marcus Hammitsch: Wenn unsere Berufsgenossenschaft das sehen würde, die würden sofort die Baustelle schließen. Die Sicherheitsbedingungen vor Ort sind unheimlich schlecht.  Wenn sich da jemand den Finger abschneidet, kommt der nächste Handwerker und macht die Arbeit. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es dort viele Menschen, die Arbeit suchen und sich die Hände „schmutzig“ machen wollen. Handwerk hat einen hohen Stellenwert und birgt die Hoffnung vieler ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen. Oft arbeitet die ganze (Groß-)Familie mit. Auch stillende Mütter gehen mit ihren Babys und Kleinkindern auf den Handwerkerhöfen arbeiten.  Bislang ist es normal, wenn die Frauen zwischen acht bis zehn Kinder haben.

DHB: Konnten Sie vor Ort konkret helfen?

Marcus Hammitsch: Ich habe angefangen, die Produktionsabläufe anzuschauen und zu verändern. Wichtig war mir die Arbeitswege zu verkürzen und im Kleinen für mehr Sicherheit zu sorgen.  So habe ich aufgrund der Vorortsituation an gut sichtbaren Stellen internationale Hinweiszeichen mit Farbe aufgebracht, aus denen hervor geht wo nicht geraucht und wo kein offenes Feuer verwendet werden darf. Es kann sich einfach keiner vorstellen, aber es liegen riesige Mengen an Sägespäne dort wo auch Sägeblätter geschärft werden.

Es ist mir nicht schwer gefallen mit den Arbeitern in Kontakt zu kommen. Etliche haben zum ersten Mal einen Weißen gesehen. Ich arbeite gern als Handwerker und wollte ihnen zeigen, dass auch Weiße mit den Händen arbeiten, sich schmutzig machen. Kommunikation auf Augenhöhe ist ganz wichtig. Das habe ich gelernt.

DHB: Was haben Sie darüber hinaus noch gelernt?

Marcus Hammitsch: Einige der Handwerker waren wirklich sehr geschickt und haben unter beschwerlichen Bedingungen tolle Produkte in guter Qualität hergestellt. Es ist erstaunlich, dass trotz dieser Arbeitsbedingungen kaum Unfälle passieren. Ich weiß nicht, ob deutsche Handwerker unter vergleichbaren Bedingungen gewillt wären, solche Produkte in der Qualität herzustellen. Um die Arbeitssituation und die Fertigung zu optimieren, sollten meiner Ansicht nach einige Dinge geändert werden.

Wenn man das machen will, muss man aber ganz behutsam vorgehen. Wichtig ist, gemeinsam den Weg zu erarbeiten. Kann ja auch sein, dass manches vom dem quatsch ist, was wir vorschlagen und ein anderer Weg der bessere ist.

DHB: Was könnten Sie sich denn vorstellen, zu ändern? Was sind die nächsten Maßnahmen, die Sie vorschlagen?

Marcus Hammitsch: Ich will mit ganz einfachen Maßnahmen die Sicherheit erhöhen. Beim Schleifen sollten Sicherheitsbrillen getragen werden. Die Holzspäne sollten erst weggeräumt werden, wenn darüber auch keiner mehr hobelt. Auch die Elektrik muss angepasst werden. Das sind kleine Dinge, die viel bewegen können.

Parallel dazu geht es darum, die Produktion nachhaltiger aufzustellen. Zurzeit läuft bei der Holzbearbeitung vieles durcheinander, d.h. die Maschinen sind nicht entsprechend der Arbeitsprozesse angeordnet. Die Arbeiter müssen mit dem Holz lange Wege zurücklegen. Das könnte man vereinfachen.  Das alles schreibe ich in einem Bericht an die GIZ und dann hoffe ich, dass ich die Maßnahmen selbst vor Ort auch umsetzen kann.

DHB: Das heißt, Sie wollen wieder nach Ruanda?

Marcus Hammitsch: Auf jeden Fall. Allerdings muss ich das mit meiner Familie absprechen. Denn es war für meine drei Kinder und insbesondere für meine Frau eine sehr schwere Zeit. Ich bin ihr dankbar, dass sie mir das ermöglicht haben.  Glücklicherweise hatte ich auch einen kulanten Kunden, der seinen Auftrag für 15 Tage zurückgestellt hat. Für mich ist das, was ich gemacht habe,  die beste Entwicklungshilfe überhaupt. Direkt vor Ort helfen mit einfachen Mitteln.

DHB: Was hat Ihnen während ihres Aufenthaltes imponiert?

Marcus Hammitsch: Die Menschen in Ruanda sind sehr wissbegierig, willig und qualifizierungsfähig. Sie wollen sich weiterentwickeln, ihre Lebensqualität steigern. Am meisten aber hat mir die Lebensfreude der Menschen imponiert. Die meisten Ruandis gehen optimistisch und dankbar durchs Leben. Und das trotz ihrer tragischen Geschichte. Sie müssen sich vorstellen: Zum Teil leben die Jüngeren mit Menschen zusammen, die ihre Eltern umgebracht haben. Und trotzdem leben sie miteinander und schauen nach vorn. Das ist unglaublich.

DHB: Abgesehen von der Arbeit, was könnten wir von den Ruandis lernen?

Marcus Hammitsch: Bodenständigkeit. In Ruanda stehen die Menschen früh auf mit dem Ziel, eine warme Mahlzeit am Tag zu haben. Klar, hätte ein ruandischer Jugendlicher gerne ein Smartphone oder ein cooles Fahrrad, aber am Ende zählt das Überleben dort. Fragen nach dem neuesten Auto oder dem neuesten Handy sind dort völlig unwichtig. Sie sind einfach nicht existent. Das ist etwas ganz anderes. Das erdet einen und regt zum Nachdenken an.

 Sie wollen helfen?

Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ),
Tel. 0228/44 60-0, www.giz.de
Marcus Hammitsch, Tel. 033767/89444
zimmerei.astrein@t-online.de



Michel Havasi

Pressearbeit

Telefon 0355 7835-200

Telefax 0355 7835-283

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