Technologiertransfer
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WFBB-Chef Dr. Steffen Kammradt über Technologietransfer"Wir sind die Übersetzer"

Die Zusammenarbeit von kleinen und mittleren Unternehmen mit Wissenschaftlern und Forschern wird immer intensiver. Im Interview erklärt Dr. Steffen Kammradt, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH (WFBB), wie Betriebe vom Technologietransfer profitieren können und wie die WFBB hilft.

DHB: Herr Dr. Kammradt, Wachstum durch Innovationen und neue Technologien ist nachhaltig. Die WFBB unterstützt den Transfer. Wie genau helfen Sie Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft?

Dr. Steffen Kammradt: Innovation ist in der Tat essentiell für wirtschaftliches Wachstum. Aber nicht immer kennen sich die Partner in Wirtschaft und Wissenschaft. Deshalb vernetzen wir im ersten Schritt die richtigen Leute. Für ein konkretes unternehmerisches Anliegen suchen wir den passenden Partner in der Wissenschaft. Wir sind da die Übersetzer, gemeinsam mit unseren Partnern im Land. In der WFBB sind hier besonders die Clustermanagements sehr aktiv. Aus den Kennzahlen der Cluster sehen wir, dass solche Transferprojekte von Jahr zu Jahr zunehmen. Im zweiten Schritt helfen wir Hemmschwellen abzubauen. Wissenschaft und Forschung sind nicht nur Partner von großen Unternehmen. Gerade kleinere Unternehmen können vom Transfer stark profitieren. Brandenburg hat eine ausgezeichnete Förderlandschaft, die es gerade mittelständischen Firmen erleichtert mit Wissenschaft und Forschung kommerziell zu kooperieren. Dazu beraten unsere Regionalcenter in Cottbus, Frankfurt (Oder), Eberswalde, Neuruppin und Potsdam.

Eine Entwicklung, die uns im Transfer besonders freut, sind so genannte Cross-Cluster-Kooperationen. Hier geht es um branchenübergreifende Zusammenarbeit. Zum Beispiel, wenn Gesundheitswirtschaft mit IT neue digitale Anwendungen entwickelt. Die verstärkte Unterstützung branchenübergreifender Kooperationen ist auch einer der Schwerpunkte der gemeinsamen Innovationsstrategie 2025, die die Länder Brandenburg und Berlin Anfang dieses Jahres verabschiedet haben.

DHB: Es ist also nicht ausschließlich nur eine Frage der Größe von Unternehmen, die über Erfolg oder Misserfolg von Innovationsprozessen entscheiden?

Steffen Kammradt: Für ein Mittelstandsland wie Brandenburg ist wichtig, dass eine intensive Innovationsarbeit nicht von der Größe der Betriebe abhängig ist. Auch kleinere Unternehmen, die keine F&E-Abteilung haben, sollen so unterstützt werden, dass sie innovative Projekte erfolgreich gestalten können. Das können neue oder verbesserte Produkte sein, aber auch verbesserte Prozessabläufe durch Digitalisierung im Unternehmen. Hier gibt es viele positive Beispiele in unserem Land und noch viel Potenzial.

DHB: Das Land Brandenburg fördert Innovationen. Wir kommt die Unterstützung bei den Firmen an?

Steffen Kammradt: Brandenburg hat in der Innovationsförderung ein ausgezeichnet ausgebautes Stufensystem. Es beginnt mit den so genannten Innovationsgutscheinen, kurz BIG, deren kleinster zum Einstieg eine 100 Prozent Förderung ermöglicht. Dafür bekommt man schon eine gute Potenzialanalyse eines Instituts. Wer darauf weiter aufbauen möchte, kann über die weiteren Stufen der Innovationsförderung anteilig unterstützt werden bis hin zu großen Innovationsprojekten. Brandenburg bietet hier für jeden Bedarf den geeigneten Baustein, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Gerade ihnen wird damit die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung deutlich erleichtert.

Die Unterstützung für Innovationen im Mittelstand findet auch im Bereich der Fachkräfte statt. Kleine und mittlere Unternehmen, die hoch qualifizierte Nachwuchskräfte zum Beispiel aus Hochschulen einstellen wollen, können eine Lohnkostenförderung für so genannte Innovationsassistenten erhalten – eines der erfolgreichsten Landesprogramme seit mehr als 20 Jahren. Ziel ist, dass beide Seiten, also Unternehmen und Nachwuchskraft, so erfolgreich zusammenarbeiten, dass es nach dem Förderzeitraum weiter geht.

DHB: Die Digitalisierung spielt beim Technologietransfer eine große Rolle. Wie sind die brandenburgischen Unternehmen bei dem Thema aufgestellt?

Steffen Kammradt: Die Brandenburger Firmen warten nicht auf die Digitalisierung – sie sind mitten dabei. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die wir mit mehr als 1.000 Unternehmen in Brandenburg durchgeführt haben. 87 Prozent der befragten Firmen sind bereits im Prozess der Digitalisierung, 20 Prozent sagen sogar, dass ihr Unternehmen nach innen und außen, also auch in der Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden, bereits vollständig digitalisiert ist.

Industrie, Handwerk und Dienstleistung sind in gleichem Maße dabei. Erfreulich auch: Über 70 Prozent der befragten Firmen haben ihre Mitarbeiter aktiv in den Prozess der Digitalisierung eingebunden, in über der Hälfte der Fälle haben Mitarbeiter sogar den Anstoß gegeben oder entscheidende Impulse gesetzt. Sie müssen auch nicht um ihren Job fürchten, im Gegenteil: Digitalisierung schafft Beschäftigung. Deutlich mehr der befragten Brandenburger Unternehmen wollen im Zuge der Digitalisierung zusätzliches Personal einstellen als abbauen. Das wundert nicht: rund die Hälfte der Firmen sagt, dass sie durch Digitalisierung neue oder verbesserte Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Das bringt ihnen zusätzliche Marktchancen.

DHB: Die WFBB ist seit ihrer Gründung sehr breit aufgestellt. Neben Bestandsunternehmen kümmern Sie sich auch um Neuansiedlungen. Eine der neuesten „Pflanzen“ ist das Thema Standortentwicklung. Da geht es zum einen um die klassische Sicherung und Weiterentwicklung großer, zusammenhängender Industrieflächen. Zum anderen um ganz neue Strömungen, wie Co-Working…

Steffen Kammradt: Für die Investorenakquisition und Firmenerweiterungen sind verfügbare Flächen essentiell. Gerade größere zusammenhängende Industrieflächen sind wahrer Goldstaub, denn die werden andernorts in Deutschlands zunehmend knapp. Das kann Brandenburg als Standortvorteil nutzen. Seit Anfang 2018 haben wir deshalb ein eigenes Team in der WFBB, das strategisch bedeutsame Standortentwicklungen begleitet und unterstützt.

Eine ganz andere Art der Standortentwicklung hängt mit der Digitalisierung zusammen: CoWorking ist eine neue Arbeitsform für Digitalarbeitende. Wir haben angefangen, die Initiativen der wachsenden CoWorking-Szene in ihrer Vernetzung zu unterstützen. Zum Beispiel mit einem Treffen in der Brandenburger Landesvertretung in Berlin. Von Cottbus über Herzberg, Frankfurt (Oder), Angermünde bis Wittenberge waren Initiativen aus dem ganzen Land dabei. Durch den Veranstaltungsort in Berlin konnten wir diese auch mit der Berliner Szene vernetzen. CoWorking kann zu einer neuen Form der Ansiedlung von Start-ups, Rückkehrern oder Mitarbeitern im Home-Office werden. CoWorking in Form so genannter MakerSpaces oder FabLabs bieten Start-ups den Zugang zu modernen Fertigungsgeräten wie 3D-Druckern. Das alles spielt sich nicht mehr allein in Berlin-Mitte ab, sondern entwickelt sich in einem rasanten Tempo auch in den ländlichen Räumen Brandenburgs.

DHB: Die Zukunft liegt also auch im ländlichen Raum?

Steffen Kammradt: Absolut. Das wird durch die Digitalisierung möglich. Wer vor allem am Computer arbeitet, kann sich im digitalen Zeitalter seinen Arbeitsort fast aussuchen. Die Digitalszene hat sich von alleine aufgemacht und Orte mit einer tollen Lage, einer guten digitalen Anbindung und einem hohen landschaftlichen Reiz identifiziert, wo man gerne arbeitet. Der ländliche Raum hat hier aus unserer Sicht richtige Chancen, weil es immer mehr Menschen gibt, die es dort hinzieht, wenn sie ihre Arbeit mitnehmen können. CoWorking sind Orte, die ihnen dies ermöglichen. Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft in diesem Bereich noch viel mehr erleben werden.

DHB: Flächen hat der ländliche Raum genügend. Ist er auch interessant zum Beispiel für Berliner Unternehmen, die wachsen wollen?

Steffen Kammradt: Berlin wächst rasant. Flächen werden knapp und immer mehr Berliner Firmen schauen nach Brandenburg. Wir verzeichnen seit etwa drei Jahren eine sprunghaft ansteigende Nachfrage aus Berlin. Berliner Firmen versuchen dabei bislang, sich möglichst berlinnah anzusiedeln. Doch auch hier werden die Flächen knapper. Jetzt kommt die Stunde der Städte der so genannten zweiten Reihe. Orte wie Cottbus, Luckenwalde, Fürstenwalde, Frankfurt (Oder), Eberswalde, Neuruppin oder Brandenburg an der Havel sind gut erreichbar und haben großes Potenzial. Wir vermarkten das ganz aktiv und treten beispielsweise auf der größten deutschen Standortmesse EXPO-Real in München gezielt mit dem Thema „Städte der zweiten Reihe“ an die internationalen Projektentwickler  heran, um ihnen deutlich zu machen, dass dies die Wachstumsräume der Zukunft sind.

DHB: Apropos Zukunft. Der Zukunftspreis Brandenburg stellt unternehmerische Erfolge in den Mittelpunkt. Die WFBB unterstützt den Preis seit mittlerweile fünf Jahren. Wie bewerten Sie den Preis und was wünschen Sie ihm für die Zukunft?

Steffen Kammradt: Der Zukunftspreis spielt eine ganz wichtige Rolle. Wirtschaft hat auch mit Psychologie zu tun. Der Wettbewerb macht Mut, schafft Zuversicht und zeigt, wie gut viele Unternehmen im Land Brandenburg aufgestellt sind. Er soll auch andere motivieren, nach vorne zu gehen, Innovationen zu wagen und vielleicht selbst Preisträger zu werden. Ich wünsche dem Zukunftspreis, dass weiter so viele so gute Unternehmen gefunden werden, die zeigen, was für ein tolles Potenzial die Brandenburger Wirtschaft hat.

Dr. Steffen Kammradt Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH WFBB
DAVID MARSCHALSKY/WFBB





 Zukunftspreis

Die WFBB unterstützt den Zukunftspreis Brandenburg seit mehreren Jahren. Der Wettbewerb wird seit dem Jahr 2014 gemeinsam von den Wirtschaftskammern in Brandenburg ausgeschrieben und veranstaltet.

Zwölf Unternehmen sind für den wichtigsten Wirtschaftspreis des Landes nominiert. Am 22. November werden die Sieger in Schönefeld gekürt.

www.zukunftspreis-brandenburg.de





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