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Bundesarbeitsgericht zur Anrechnung von Spätschichtzulagen auf Mindestlohn

Mit der Entscheidung vom 16. April 2014 hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) noch vor Geltung des gesetzlichen Mindestlohns mit der Problematik der Anrechnung von Spätschichtzulagen auf einen Mindestlohnanspruch auseinandergesetzt. Diese Entscheidung ist aufgrund des gesetzlichen Mindestlohns zu neuer Aktualität gelangt.

Gegenstand der Entscheidung war der allgemeinverbindliche Mindestlohntarifvertrag der Abfallwirtschaft. Dieser sieht einen Mindestlohn "je Stunde" vor. Die Parteien des Rechtsstreits hatten einen zu geringen Stundenlohn vereinbart, zzgl. etwaiger Zuschläge nach den hierfür geltenden Bestimmungen. Konkret war geregelt, dass Arbeitnehmern bei regelmäßiger Nachtarbeit Zuschläge in Höhe von 25 Prozent und für Spätschichten in Höhe von 5 Prozent je Stunde gezahlt werden.

Der Kläger begehrte die Differenz zwischen dem arbeitsvertraglichen Stundenlohn und dem tariflichen Mindestentgelt je Stunde auf Grundlage einer 40-Stunden-Woche, ohne Berücksichtigung erhaltener Nacht- und Spätschichtzuschläge sowie vermögenswirksamer Leistungen.

Nach der Entscheidung des BAG können zwar die gezahlten Spätschichtzuschläge auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden, nicht aber die Zuschläge für die Nachtarbeit und die vermögenswirksamen Leistungen.

In den Entscheidungsgründen führt das BAG aus, dass bei einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der einen Mindestlohnanspruch "je Stunde" vorsieht und dabei nicht die zeitliche Lage der Arbeitszeit regelt, Spätschichtzulagen, die auf der Grundlage anderer Rechtsvorschriften geleistet werden, auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden können. Das soll jedoch nur dann gelten, wenn dem Mindestlohntarifvertrag nicht entnommen werden kann, dass die Arbeitsleistung während einer Spätschicht einer gesonderten Vergütungsregelung unterfällt.

Bezüglich des Zuschlags für Nachtarbeit gilt, dass dieser kein Bestandteil des Mindestlohns ist. Erbringt also ein Arbeitnehmer unter den besonderen Bedingungen der Nachtarbeit seine Arbeitsleistung, kann der Arbeitgeber den gesetzlichen Zuschlag im Sinne des § 6 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetzes nicht auf den Mindestlohnanspruch anrechnen.

Entscheidend für die Anrechenbarkeit von Leistungen des Arbeitgebers ist, welche (Gegen-) Leistung des Arbeitnehmers durch die Leistung des Arbeitgebers ihrem Zweck nach vergütet werden soll. Das BAG bedient sich bei dieser Abgrenzung des Merkmals der sog. funktionalen Gleichwertigkeit. Das bedeutet, dass für die Anrechenbarkeit von Leistungen des Arbeitgebers der damit verfolgte Zweck entscheidend ist. Soll die Leistung seitens des Arbeitgebers lediglich die reguläre Arbeitsleistung (Normalleistung) vergüten, so findet keine Anrechnung auf den Mindestlohn statt. Bei Nachtarbeit ist die "Normalleistung" gesetzlich mit einem Zuschlag zu vergüten, darum findet keine Anrechnung statt. Ist Zweck der Leistung eine Entlohnung einer über die normale Arbeitsleistung hinausgehenden Leistung, so findet eine Anrechnung statt.

Auch "vermögenswirksame Leistungen", die der Arbeitgeber erbringt, können nicht auf einen Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers angerechnet werden, weil ihr Zweck in der langfristigen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand liegt und damit nicht den Zweck der Entlohnung des Arbeitsnehmers für seine geleistete Arbeit verfolgt.

Fazit:

Der Entscheidung lag zwar ein tariflicher Mindestlohnanspruch zugrunde, gleichwohl lassen sich Rückschlüsse auf Anrechnungsmöglichkeiten in Bezug auf den seit dem 1. Januar 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohnanspruch ziehen. Damit ist die Entscheidung aktuell von Interesse.

Nach Ansicht des BAG sind Leistungen des Arbeitgebers in der Regel auf den Mindestlohn anrechenbar. Der gesetzliche Mindestlohn beruht jedoch nicht auf einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, sodass es auf die Frage, aus welchem vertraglichen Grund der Arbeitgeber zur Gewährung solcher verstetigten Leistungen verpflichtet ist, nicht ankommen kann. Etwas anderes gilt nur, wenn die vom Arbeitgeber gewährte Leistung nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang zu der vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistung steht (vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers) oder aber aus anderen als arbeits- und tarifvertraglichen Gründen geschuldet wird (gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen). Nur in diesen Fällen scheitert nach dem Sinn und Zweck der Entscheidung des BAG eine Anrechnung.

Anne Kathrin Selka Juristin HWK Cottbus

Anne-Kathrin Selka

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