Versorgungssicherheit gewährleistet / Lage angespannt.Bundesregierung ruft Alarmstufe des Notfallplans Gas aus

Die Bundesregierung ruft die Gas-Alarmstufe aus. Aktuell sei die Versorgungssicherheit aber noch gewährleistet, so Wirtschaftsminister Rober Habeck. "Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen."

Grund für die Ausrufung der Alarmstufe ist die seit dem 14. Juni 2022 bestehende Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und das weiterhin hohe Preiseniveau am Gasmarkt. Zwar sind die Gasspeicher mit 58 Prozent stärker gefüllt als im Vorjahr. Doch sollten die russischen Gaslieferungen über die Nord Stream 1-Leitung weiterhin auf dem niedrigen Niveau von 40 Prozent verharren, ist ein Speicherstand von 90 Prozent bis Dezember kaum mehr ohne zusätzliche Maßnahmen erreichbar.

Die Alarmstufe ist die zweite von drei Stufen des Notfallplans Gas. Bisher galt die Frühwarnstufe. Die höchste wäre die sogenannte Notfallstufe. Laut dem Plan liegt bei der Alarmstufe eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen.



Versorger dürfen Preise noch nicht anheben

Versorgungsunternehmen sollen noch keine Möglichkeit erhalten, ihre Gaspreise nach dem Energiesicherungsgesetz zu erhöhen. Demnach dürfte sie gestiegene Einkaufspreise an die Kunden auch innerhalb von bestehenden Verträgen weitergeben. Für die entsprechende Preisanpassungsklausel müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen müssen Alarmstufe oder Notfallstufe ausgerufen worden sein. Zum anderen muss die Bundesnetzagentur auf dieser Grundlage eine »erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland« festgestellt haben. Erst dann dürfen die Unternehmen die Preise auf ein »angemessenes Niveau« erhöhen.

 

Kohlekraftwerke länger in Bereitschaft

Um den Gasverbrauch in der Stromerzeugung zu senken, wird die Bundesregierung, wie am 19. Juni angekündigt, zusätzliche Kohlekraftwerke aus der Bereitschaft abrufen. Dazu hat das BMWK bereits die Kraftwerksbetreiber angeschrieben und gebeten, die nötigen Schritte zu veranlassen. Das entsprechende Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, das den Abruf der Gasersatz-Reserve ermöglicht, ist derzeit im parlamentarischen Verfahren. Das BMWK bereitet alle entsprechenden Verordnungen vor; um sie zügig nach Inkrafttreten und passgenau zu nutzen. „Wir bringen Kohlekraftwerke in den Markt und reduzieren die Menge an Gas. Das ist schmerzlich, Kohlekraftwerke sind einfach Gift fürs Klima. Aber für eine Übergangszeit müssen wir es tun, um Gas einzusparen und über den Winter zu kommen“, sagte Habeck.

Zugleich hat die Bundesregierung eine Kreditlinie von zunächst 15 Milliarden Euro zur Speicherbefüllung zur Verfügung gestellt, abgesichert durch eine Garantie des Bundes. „Wir füllen die Speicher, sie müssen zum Winter hin voll sein“, sagte Habeck. Noch im Sommer soll zudem ein Gasauktionsmodell an den Start gehen, das industrielle Gasverbraucher anreizt, Gas einzusparen. Die Bundesnetzagentur hat dieses Modell am 21. Juni 2022 näher ausbuchstabiert. Weitere Konkretisierungen werden in den kommenden Wochen erfolgen, damit es zügig an den Start gehen kann. „Wenn darüber hinaus weitere Maßnahmen nötig sind, werden wir sie ergreifen“, sagte Habeck.

 Hintergrund

In einer solchen drohenden Gasmangellage muss Deutschland den Gasverbrauch in der Stromerzeugung deutlich reduzieren können, um das dann fehlende Gas zu ersetzen und so die Folgen des Gasmangels abzumildern. Aus diesem Grund will die Bundesregierung auf der Erzeugungsseite befristet bis zum 31. März 2024 eine Gasersatz-Reserve auf Abruf einrichten.

Dafür werden Kraftwerke, die bereits heute als Reserve dem Stromsystem zur Verfügung stehen, ertüchtigt, um kurzfristig in den Markt zurückkehren zu können. Das bedeutet, dass der kurzfristige Einsatz von Kohlekraftwerken im Stromsektor für den Bedarfsfall auf Abruf ermöglicht wird.



Gas trug 2021 zu ca. 15 Prozent zur öffentlichen Stromerzeugung bei, der Anteil dürfte in den ersten Monaten 2022 aber schon geringer sein. Durch die Maßnahmen zur Reduktion des Gasverbrauchs kann das Stromerzeugungsangebot in einer kritischen Gasversorgungslage um bis zu 10 GW ausgeweitet werden, wodurch der Gasverbrauch zur Stromerzeugung substantiell reduziert wird.



Speicher nicht gefüllt

Die Bundesnetzagentur hat Szenarien berechnet und damit die Gasmengenentwicklung bis Juni 2023 bestimmt. Diese Szenarien zeigen, dass eine Störung der Gasversorgung vorliegt. Auch bei einem kontinuierlichen Verbleib der Lieferungen durch Nordstream 1 auf dem Niveau von 40%, ist die im Gasspeichergesetz vorgesehene Speicherfüllung bis zum 1. Dezember auf 90% nur dann möglich ist, wenn man unterstellt, dass innereuropäische Gaslieferungen nicht mehr vollständig erfolgen und man davon ausgeht, dass der Gasverbrauch in diesem Winter 20% unter dem normalen Niveau liegt.