Titelbild bürokratische Mühlen
HWK Cottbus

Gegen bürokratische Mühlen

Über 800 Richtlinien gibt es derzeit im Europäischen Raum. Die EU-Kommission überprüft seit 2012 alle Verordnungen auf deren Notwendigkeit, Erfolg und Effizienz. Doch das braucht viel Zeit, wie ein Besuch bei Handwerksbetrieben in Niederlehme zeigte.

Die EU legt nur Mindeststandards fest. Es liegt dann an den einzelnen Ländern, wie sie die Richtlinien umsetzen. „Innerhalb der europäischen Union gibt es sehr große Unterschiede“, sagte Daphne von Buxhoeveden. Die studierte Ökonomin muss es wissen. Sie arbeitet im Generalsekretariat der EU-Kommission und will wissen, wo kleinen und mittelständischen Unternehmen der Schuh drückt. Im persönlichen Gespräch – findet sie – lassen sich diese Dinge am besten herausfinden.

Bei Nils Burschik, einem von vier Geschäftsführern der Gemtec GmbH aus Niederlehme (Dahme-Spreewald), rennt sie damit offene Türen ein. „Die Bürokratie ist in den letzten zwei Jahren enorm gestiegen. Besonders betroffen ist der Bereich Export. „Was man im Vorfeld an Zollnummern, Warennummern, Zeugnissen etc. alles nachweisen und vorbereiten muss, um ein Produkt ins Ausland auszuführen, ist schon immens“, sagt er.

Auch die neu eingeführte DIN EN 1090 ist an Nachweispflichten kaum noch zu übertreffen, ergänzt René Graßke, Abteilungsleiter Metallbearbeitung. Selbst für einfache Unterlegscheiben müssen Papierberge hin und her bewegt werden. Und natürlich kostet jedes Zeugnis und jeder Nachweis Geld. Dabei will man im Handwerksbetrieb nur seine Arbeit machen. Rund 100 Mitarbeiter sind bei Gemtec beschäftigt. In vier großen Bereichen ist das Unternehmen aktiv: Blechbearbeitung, Automatisierungstechnik, Sondermaschinenbau und Sicherheitstechnik. Gemtec-Produkte kommen weltweit zum Einsatz. Erst vor Kurzem wurde ein neuer  Verwaltungssitz eingeweiht, rund 1,5 Millionen Euro wurden investiert.

Die EU-Abgesandte war beeindruckt von der Leistungsfähigkeit des Betriebes und warb für Unterstützung ihrer Arbeit. „Wir wissen, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen die Wirtschaft in Europa antreiben und dass wir sie in gewisser Weise schützen müssen“, erklärte Daphne von Buxhoeveden. Die neue EU-Kommission untersuche seit drei Jahren, wie die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinien umsetzen.

„Leider fehlen uns häufig die Informationen aus den Ländern, sodass es nicht leicht ist und Zeit braucht. Wir legen nur die Mindeststandards fest. Die Mitgliedsstaaten können selbst entscheiden, wie sie die Richtlinien umsetzen.“ Um künftig besser an Informationen zu kommen, sollen Internetportale aufgebaut werden. Dort könnten dann Unternehmen wie Gemtec ihre Probleme als Kommentare einstellen. „Wir wollen von ihnen direkt wissen, wo der Schuh drückt“, so die Brüsseler Angestellte.

Nils Burschik ist skeptisch, was den Erfolg dieser Maßnahme anbelangt. Es gab schon viele Initiativen und Gespräche, die wirkungslos verpufft sind. Die überbordende Bürokratie in Deutschland und der EU hat in seinen Augen in den letzten Jahren eine Eigendynamik bekommen. „Die Konkurrenz aus Asien ist extrem hoch und wir sonnen uns in Regularien und Vorschriften“, warnt er. „Viel Vertrauen ist zerstört worden. Dieses Vertrauen müssen sie erstmal wieder zurückgewinnen“, sagte er in Richtung Daphne von Buxhoeveden.

Wischmann Fahrzeugbau

Steuergesetze, Sozialversicherungsabgaben, Arbeitsschutz- und –sicherheit, Statistik- und Dokumentationspflichten verursachen auch bei der Wischmann Metall- und Fahrzeugbau GmbH & Co. KG einen hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand. Da bleibt wenig Raum, um das eigene Unternehmen zu entwickeln, sagt Knut Wischmann, der in vierter Generation den 1907 gegründeten Handwerksbetrieb mit seinen aktuell 21 Mitarbeitern führt. Hinzu kommen ab September fünf neue Lehrlinge. Die Angebotspalette des Unternehmens von der Entwicklung von Spezialaufbauten, Koffer- und Pritschenaufbauten, Ladekrane, Ladebordwände, Absetz- und Abrollkipper für den Kommunalbereich bis zum Komplett-Service für Nutzfahrzeuge mit Wartung und Instandhaltung von Lastkraftwagen (LKW) und Anhänger verschiedener Hersteller inklusive der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen.

Besonders nervt Knut Wischmann die neue Betriebssicherheitsverordnung, bei der er für jeden Mitarbeiter Gefährdungsanalysen bezüglich der Lärm- und Vibrationsbelastung aufzeigen muss. „Im Vergleich zur Industrie kommt es bei uns vor, dass ein Mitarbeiter an einem Tag zwei Stunden mit einem Winkelschleifer arbeitet, dann wieder tagelang gar nicht.“ Wie soll man das in einem Fragebogen verständlich erfassen. Am Ende gehe es nur darum, dass ein Wert drin steht, mit dem alle leben können. Das kostet seitenweise Papier, viel Zeit und hilft dem Mitarbeiter letztlich auch nicht. „Die komplexen Regelwerke gehen häufig an der Realität vorbei“, so das Fazit von Knut Wischmann. Er plädiert dafür, die Größe der Betriebe mehr zu berücksichtigen. Nicht jedes Kriterium einer Verordnung muss für jedes Unternehmen gelten.

Genau dies hat die EU-Kommission vor, wie Daphne von Buxhoeveden versicherte. „Neue Richtlinien werden so ausformuliert, dass bei bestimmten Aspekten KMU‘s nicht mehr betroffen sind.“ Da aber auch diese Gruppe in der Größe stark variieren kann (bis zu 250 Mitarbeiter), gibt es auch innerhalb der KMU‘s noch Unterscheidungen. Knut Wischmann begrüßt diese Maßnahmen. Doch auch er ist vorsichtig optimistisch. „Die Zukunft wird zeigen, ob sich wirklich etwas ändert.“

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