Michael Stieber Arbeitsmediziner
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Interview des Monats mit Arbeitsmediziner Michael Stieber"Gesunde Mitarbeiter sind ein Gewinn"

Jede gesunde Fachkraft ist ein Gewinn für Unternehmen. Dennoch können Über 40 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen einer Studie zufolge keine arbeitsmedizinische betreuung aufweisen. Wir sprachen darüber mit Michael Stieber, Facharzt für Arbeitsmedizin und Neurochirurgie.

DHB: Herr Stieber, ab einem Mitarbeiter ist man verpflichtet, einen Arbeitsmediziner zu bestellen. Scheinbar machen dies aber nicht alle Unternehmen?

Stieber: Nein. Die Gründe dafür sind verschieden. Mal gibt es Informationsdefizite zum Thema. Mal scheitert es am Wollen, mal an den Kosten. Meist kommt erst Bewegung in die Sache, wenn eine Kontrolle angekündigt wird, beziehungsweise durchgeführt wurde. So eine Kontrolle kann ernsthafte Folgen haben. Das Landesamt für Arbeitsschutz zum Beispiel kann, wenn ihnen Verstöße auffallen, ganze Arbeitsbereiche schließen.



DHB: Was genau machen Sie als Arbeitsmediziner?

Stieber: Ich mache den Betrieben Angebote für eine Vorsorge. Sie soll Erkrankungen oder Berufskrankheiten in der Belegschaft vorbeugen. Die Kriterien variieren je nach Branche und Tätigkeit. Denn jeder Beruf bringt seine ganz eigenen Risiken mit.

Bei der Angebotsvorsorge erstelle ich dem Unternehmer ein individuelles Angebot. Bekomme ich den Auftrag, geht es los. Ich schaue mir die Arbeitsplätze und das Arbeitsumfeld an. Ich untersuche Arbeitnehmer - sofern sie das wollen - entweder im Betrieb oder in meiner Praxis, ich spreche mit ihnen und berate sie. Je nach Fall schlage ich dann Maßnahmen vor, die die Situation im Sinne des Gesundheitsschutzes verbessern sollen.

Wichtig ist, dass die Unternehmer ihren Mitarbeitern erklären, weshalb sie den Arbeitsmediziner beauftragt haben. So kann man Unsicherheiten beseitigen.



DHB: Der Rahmen für Ihre Arbeit ist die Gefährdungsbeurteilung...?

Stieber: Richtig. Sie ist die Grundlage allen betrieblichen Handelns in Sachen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet den Unternehmer dazu. Die Gefährdungsbeurteilung ist dazu da, zu schauen, wo können Gefahren entstehen, wenn nötig, den Missstand aufzudecken, ihn zu bewerten, Maßnahmen abzuleiten, zu bestimmen, wer das umzusetzen hat und zu evaluieren, ob die Maßnahmen Erfolg hatten.

Es gibt Arbeitgeber, die sagen, ich kann das nicht so einfach. Hier unterstützen wir Arbeitsmediziner die jeweilige Arbeitssicherheitsfachkraft. Gefahren können zum Beispiel von gewissen Stoffen ausgehen. Das betrifft im Handwerk unter anderem Lackierereien oder zahntechnische Labore. Hier können wir auch ein Biomonitoring machen. Dies heißt, wir prüfen, ob in Blut, Urin oder Haaren die Gefahrenstoffe nachzuweisen sind.

In Bäckereien ist es der Umgang mit Mehl. Im Sommer sind es die Gefahren durch UV-Strahlung, die für die Bauarbeiter entstehen können. Wie gesagt, die Gefahren für die Gesundheit sind je nach Tätigkeit ganz verschieden. Als gute Grundlage für Arbeitgeber dient das STOP-Modell.



DHB: Was versteckt sich dahinter?

Stieber: Das ist ein Schichtenmodell. »S« steht für Substitution. Hier stellt sich die Frage, kann ich die Gefahr ausschließen. Das geht in den seltensten Fällen nicht. Nehmen Sie das Beispiel FSME und die Gefahr für Forstarbeiter. Die Gefahr »Zecke« ist da. Die kann man nicht ausschalten.

»T« ... gibt es eine technische Lösung, mit der ich die Gefahr bannen kann. »O«... gibt es eine organisatorische Lösung, um die Gefahr zu verhindern. »P«...hier geht es um persönliche Schutzmaßnahmen. Darunter fällt der Sonnenschutz, lange Kleidung für Forstarbeiter usw.

Das STOP-Modell ist ein erster guter Ansatz für das eigene Unternehmen, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.



DHB: Die Zahl der psychischen Krankheiten haben zugenommen, sagen Experten. Diese Art von Erkrankung wird die Unternehmen noch vor große Herausforderungen stellen. Können sie das bestätigen?

Stieber: Früher wurden häufig körperliche Gründe, wie Rücken, als Ursachen für Krankheiten diagnostiziert. Seit geraumer Zeit schwenkt die Medizin um. Die Methoden sind feiner geworden. Heute weiß man, dass etliche Krankheiten ihre Ursache in der Psyche haben.

Aus Gesprächen mit Arbeitnehmern kann ich das auch bestätigen. Sehr häufig höre ich, dass man sich überlastet und nicht wertgeschätzt fühlt, dass sich die Arbeit verdichtet hat und Personal fehlt.



DHB: Wie können Sie dabei helfen?

Stieber: Das ist ein sensibler Bereich. Wer gibt schon gerne zu, dass er nicht mehr kann. Wir Arbeitsmediziner fungieren hier als eine Art Vermittler zwischen beiden Seiten. Da braucht man auch ein gewisses Händchen für.

 Arten der Arbeitsmedizinischen Vorsorge

Die Pflichtvorsorge ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten veranlassen muss. Sie dürfen eine Tätigkeit nur dann ausüben, wenn Sie zuvor an einer Pflichtvorsorge teilgenommen haben.

Die Angebotsvorsorge ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber Ihnen bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten anbieten muss. Wird eine Angebotsvorsorge nicht oder nicht rechtzeitig angeboten, droht dem Arbeitgeber ein Bußgeld.

Die Wunschvorsorge ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber Ihnen über die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedV) hinaus bei allen Tätigkeiten gewähren muss.

Darüber hinaus gibt es gesetzliche Eignungsuntersuchungen und berufsgenossenschaftliche Empfehlungen bzw. branchenspezifische Richtlinien und Empfehlungen.



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