Recht

Weitere BAG-Entscheidungen zu Allgemeinverbindlicherklärungen des SOKA-Bau Tarifvertrages

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erklärte nun auch die Allgemeinverbindlicherklärungen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren des Baugewerbes (AVE VTV) aus den Jahren 2012 und 2013 für unwirksam (Beschlüsse vom 25.01.2017 Az.: 10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15).

Nachdem das BAG bereits am 21.09.2016 die in den Jahren 2008, 2010 und 2014 erfolgten Allgemeinverbindlicherklärungen kassierte, da in allen Fällen die nach damaligem Rechtsstand erforderliche 50-Prozent-Quote nicht erreicht war, erklärte es nunmehr auch die AVE VTV der Jahre 2012 und 2013 für unwirksam.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte auf Antrag der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in 2012 und 2013 die jeweiligen Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe gemäß § 5 TVG in der damals geltenden Fassung für allgemeinverbindlich erklärt. Dies erfolgte jeweils mit Einschränkungen bezüglich des betrieblichen Geltungsbereichs ("Große Einschränkungsklausel").

Bei den Antragstellern handelt es sich überwiegend um Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und deshalb nur auf Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärungen zu Beitragszahlungen herangezogen wurden. Sie vertraten die Auffassung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung nicht vorgelegen hätten. Insbesondere hätten die tarifgebundenen Arbeitgeber der Baubranche nicht 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigt.

Das LAG wies die Anträge zurück. Die von ihm zugelassenen Rechtsbeschwerden hatten vor dem BAG Erfolg.

Die Entscheidung:

Die Allgemeinverbindlicherklärungen sind unwirksam, denn es gibt es keine tragfähige Grundlage für die Annahme des BMAS, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der AVE VTV 2012 und 2013 in der Baubranche mindestens 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren. Insbesondere durfte die in den jeweiligen AVE vorgenommene Einschränkung des betrieblichen Geltungsbereichs - entgegen der Auffassung des BMAS - bei der Berechnung der 50-Prozent-Quote nicht berücksichtigt werden.

Die AVE VTV 2013 II ist zudem deshalb unwirksam, weil die damals zuständige Ministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, nicht mit dem Normsetzungsakt befasst war. Darin liegt ein Verstoß gegen das in Art. 20 GG verankerte Demokratieprinzip.

Die Feststellung der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen wirkt zwar gem. § 98 Abs. 4 ArbGG für und gegen jedermann. Sie hat deshalb zur Folge, dass im maßgeblichen Zeitraum nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes bestand. Andere Arbeitgeber der Baubranche sind nicht verpflichtet, für diesen Zeitraum Beiträge zu leisten. Rechtskräftig abgeschlossene Klageverfahren über Beitragsansprüche werden aber von der Feststellung der Unwirksamkeit nicht berührt; eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 580 ZPO ist insoweit nicht möglich.

Ob im Übrigen unter Beachtung der Verjährungsfristen wechselseitige Rückforderungsansprüche hinsichtlich erbrachter Beitrags- und Erstattungsleistungen bestehen und ob die Feststellung der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen einer Vollstreckung von Beitragsansprüchen aus rechtskräftigen Entscheidungen entgegensteht, hatte der Senat nicht zu entscheiden.



Anne Kathrin Selka Juristin HWK Cottbus

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