Holger Seidlitz Fraunhofer Institut 11.02.2020
Manuela Zydor

"Wir entwickeln mit Unternehmen neue Produkte und Technologien"

Während andere reden, arbeitet Prof. Dr.-Ing. Holger Seidlitz seit 2015 gemeinsam mit Lausitzer Unternehmen am Strukturwandel. Im Interview erklärt der Leichtbau-Spezialist der BTU Cottbus-Senftenberg und Leiter des Forschungsbereich "Polymermaterialien und Composite PYCO" des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP, wo die Chancen in der Zusammenarbeit liegen.



DHB: Herr Prof. Seidlitz, dem Polymerbasierten Leichtbau* werden weltweit große Potentiale nachgesagt. Toray, der japanische Weltmarktführer im Bereich Leichtbau, rechnet in den kommenden Jahren mit großen Gewinnsprüngen. Welche Branchen würden von der Anwendung dieser Werkstoffe profitieren?

Prof. Holger Seidlitz: Überall dort, wo es darum geht, Masse, Roh- und Kraftstoffe einzusparen, können Leichtbaustrukturen mit Faser-Kunststoff-Verbunden eingesetzt werden. Kohlefaser zum Beispiel wiegt bei ähnlicher Festigkeit nur 1/8 so viel wie Stahl. Zudem ergeben sich, aufgrund neuartiger flexibler Fertigungstechnologien enorme Gestaltungsspielräume. Die Anwendungsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig: Die Spanne reicht von leichten Windrad-Flügeln über Kunststoff-Gerüstbohlen bis hin zur Sanierung von Betonpumpschächten. Die Hersteller von Schiffen und Fahrzeugen wiederum könnten auf Wasserstoffantriebe umrüsten. Dazu bieten beispielsweise endlosfaserverstärkte Leichtbau-Hochdruckbehälter besondere Vorteile.

 

DHB: Die gesamte Autoindustrie schwenkt zurzeit auf batteriebetriebene Elektroautos um…

Holger Seidlitz: Das ist richtig. Ich sehe jedoch in der Batterietechnologie nicht die Zukunft, sondern eher eine Brückentechnologie. Die Umweltbilanz ist schlecht. Noch immer werden seltene Erden für die Produktion der Zellen abgebaut. Für das Recycling der „giftigen“ Komponenten haben wir keine befriedigende Lösung. Und auch bei den Reichweiten von Elektrofahrzeugen hakt es noch gewaltig. Hier ist Wasserstoff als Energieträger zukünftig vielfach besser geeignet.

 

DHB: Sie entwickeln derzeit mit einem Handwerksbetrieb einen Hochdruckbehälter, der Wasserstoff speichern soll. Wie können wir uns die Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft vorstellen?

Holger Seidlitz: Wir arbeiten bereits seit Jahren mit kleinen und mittelständischen Unternehmen aus der Lausitz zusammen. Am Anfang stehen eine Idee oder ein Problem. Dann setzen wir uns gemeinsam hin und entwickeln Lösungen. Das Ganze läuft immer auf Augenhöhe, wobei die Partner ihre jeweilige Expertise einbringen.

Wir können in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Forschungsbereich die gesamte produktorientierte Wertschöpfungskette abbilden. Ausgehend von der ersten Idee, über den Entwurf von Prototypen, bis hin zur fertigungstechnischen Umsetzung sind wir in der Lage, marktreife Produkte und Technologien zu liefern. Ein derartiger Bündelungseffekt ist in der bundesdeutschen Forschungslandschaft ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.

 

DHB: Sie leisten Spitzenforschung, arbeiten aber in einer Halle, die ziemlich beengt ist. Vergleichbare Lehrstühle im Bundesgebiet haben Werkstätten zur Verfügung, die Minimum fünf Mal so groß sind.

Holger Seidlitz: Ja, das stimmt. Wir brauchen am BTU-Campus dringend eine bessere Infrastruktur. Wir erforschen neuartige Prozessketten und entwickeln Produkte bis zu den Prototypen. Das können wir nicht alles nur am Computer abbilden. Neben dem notwendigen Personal brauchen wir natürlich auch eine entsprechende Anlagenausstattung, die Platz und Know-how benötigt.

 

DHB: Sie hätten woanders bessere Bedingungen. Warum bleiben Sie in Cottbus?

Holger Seidlitz: Ich habe in Guben mein Abitur gemacht, habe in zunächst in Senftenberg studiert, bin dann nach Sachsen gegangen und vor fünf Jahren zurückgekehrt. Ich bin mit der Region sehr verbunden und will hier etwas aufbauen. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen ist spannend und inspirierend. Ziel ist, hier eine Wirtschaft zu etablieren, die die neuen Leichtbau-Technologien und Produkte in der Praxis anwendet. So geht Strukturwandel ganz konkret und dafür setzte ich mich ein.

 Zum BTU-Fachbereich Polymerbasierter Leichtbau

Die Leichtbauforschung auf dem Gebiet der Faser-Kunststoff-Verbunde (FKV) ist an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus – Senftenberg ein erfolgreicher Forschungsschwerpunkt.  Entlang der produktorientierten Wertschöpfungskette beschäftigt sich das internationale und interdisziplinäre Team des Fachgebietes Polymerbasierter Leichtbau (PbL) mit der branchenübergreifenden Entwicklung von energieeffizienten Leichtbaulösungen und zugehörigen Fertigungstechnologien. 

Zum Team von Fachbereichsleiter Holger Seidlitz gehören rund 30 Mitarbeiter. Forschungsprojekte mit 60 bis 70 Partnern aus der Wirtschaft werden derzeit betreut.



BTU Fachbereich Polymerer Leichtbau
www.anikabuessemeier.com



Ansprechpartner in der Handwerkskammer Cottbus für den Technologietransfer

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Stabstelle Grundstücks- und Gebäudemanagement

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