Dr. Klaus Freytag Interview Strukturwandel
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Interview mit Dr. Klaus Freytag "Wir haben eine einmalige Chance"

Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke hat den Strukturwandel in der Lausitz zur Chefsache erklärt. Mit Dr.-Ing. Klaus Freytag ernannte er
einen neuen Lausitz-Beauftragten. Wir sprachen mit ihm über seine Aufgabe und wie die Region diesen gewaltigen Prozess bewältigen kann.

DHB: Herr Dr. Freytag, Sie vergleichen Ihre Aufgabe mit der eines Dirigenten, der den Taktstock schwingt und die vielen Musiker, in dem Fall die verschiedenen Landesministerien, die am Strukturwandel beteiligt sind, dirigiert. Was reizt Sie an der Aufgabe und was braucht man für den Job?

Klaus Freytag: Strukturwandel berührt in erster Linie die Menschen in der Region. Wir müssen sie von der Richtigkeit der anstehenden Veränderungen überzeugen und ihnen ihre Ängste und Sorgen nehmen. Der Strukturwandel – der längst vor allem eine Strukturentwicklung ist – berührt alle Ministerien des Landes. Unsere Arbeit muss so koordiniert werden, dass wir den größtmöglichen Erfolg für die Lausitz erzielen. Dazu braucht es eine Verbundenheit mit der Region, denn man muss die Menschen in der Lausitz verstehen. Ich lebe hier schon sehr lange und liebe und kenne die Region. Die Chance, an zentraler Stelle die „neue Lausitz“ mitgestalten zu dürfen, ist eine einmalige Herausforderung – meine Kinder würden sagen: „Ein toller Job“

DHB: Was genau ist daran toll? Etliche beäugen das, was mit der Region passiert, eher argwöhnisch...

Klaus Freytag: So wie ich die Lausitz seit 25 Jahren kenne, schaffen wir die Veränderung. Wir haben jetzt die einmalige Chance, einen auf Jahrzehnte angelegten Prozess zu gestalten. In vielen anderen Rohstoff- und Industrieregionen der Welt hat es plötzliche und ungesteuerte Brüche gegeben – ähnlich wie es die Region in den 90-ziger Jahren erfahren musste. Da war man nicht vorbereitet und es gab keinen geordneten Anschluss.

Bei uns ist das jetzt anders. Es wird keine dramatischen Brüche geben. Die Bundesregierung will aus der Braunkohle aussteigen. Wer abbestellt, muss die wesentlichen Kosten tragen. Dem stellt sich Berlin. Das ist gut und das ist unsere Chance. Vor dem Abschalten sollen Konzepte und verbindliche Absprachen stehen, die sicherstellen, dass der Wohlstand in unserer Region erhalten bleibt. Dazu brauchen wir gute Jobs in Handwerk und Industrie.

DHB: Wie kann das gelingen?

Klaus Freytag: Wir können unsere Zukunft mitgestalten, wir können unsere Konzepte und Ideen einbringen. Das muss über alle Akteure hinweg gebündelt werden. Wir brauchen eine klare Stimme aus der Lausitz. Die Lausitz darf nicht in Kakophonie verfallen. Am Ende geht es um das beste Konzept aus den Regionen. Da gilt: Je stärker und klarer man in seiner Forderung ist, umso besser dringt man durch.

DHB: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will erst neue Jobs schaffen und dann den Kohleausstieg planen. Wo sehen sie die Potenziale für die Region und wo können neue Jobs entstehen?

Klaus Freytag: Wir haben uns über die hohe Messlatte, die der Bundeswirtschaftsminister gelegt hat, sehr gefreut. Am Ende werden wir ihn daran messen.
Wir haben neben der Energie- und Kohlewirtschaft Hunderttausende sozial-versicherungspflichtig Beschäftigte in vielen kleineren und mittleren Unternehmen. Wir müssen schauen, wie aus diesem vorhandenen Potenzial – da geht es um Handwerk, Maschinenbau, chemische Industrie, Logistik etc.– für die Zukunft noch mehr entwickelt werden kann. Das heißt, es geht um die Bestandspflege und -weiterentwicklung.

Einen 1:1 Ersatz zur LEAG kann man schwer erwarten. Aber ich bin sicher, die Lausitz wird Industrie- und Energieregion bleiben. Es wird am Ende eine andere regionale Wirtschaft sein. Die wird spannend, gut, innovativ und wettbewerbsfähig sein. Und in der wird das Handwerk eine tragende Rolle spielen.

DHB: Wie kann man neue Unternehmen anlocken, die es letztlich auch braucht?

Klaus Freytag: Erstens: Wir müssen die Investoren in die Lausitz holen und zeigen, was wir haben, was wir können und wie lebens- und liebenswert unsere Lausitz ist. Wir haben es jetzt nach Jahren geschafft, dass man in Berlin die Lausitz kennt. Die Investoren sitzen aber auch in London, in Toronto, an den Bankenzentren. Weiß Frankfurt am Main, wo die Lausitz ist? Hier gibt es noch viel zu tun.  Und meine Bitte an die Lausitzer: Wir selbst müssen zeigen, was wir können und müssen mit Selbstbewusstsein für unsere Region eintreten. Wer schlechte Stimmung macht, bekommt kein positives Feedback.

Zweitens: Wir werden mit dem Thema „Sonderwirtschaftszone“ nicht durchdringen. Das bedeutet, dass wir das bestehende Fördersystem ändern müssen. Wir brauchen Freiheiten für Anschubfinanzierungen und Zuschüsse. Das muss einfach und unbürokratisch vonstattengehen. Wir brauchen hier mehr Geschwindigkeit.

Drittens: Wir müssen die Infrastruktur auf Straße, Schiene und beim Breitband schnell ausbauen. Der Bund muss hier Farbe bekennen für die Lausitz.

Viertens: Wir brauchen ein positives Bild von der Lausitz. Wir alle gemeinsam müssen den wenigen, die uns in eine ausländerfeindliche Ecke rücken wollen, eine klare Kante und die Stirn zeigen und sagen, das ist nicht die Lausitz. Nur ein positives Klima lockt Investoren an.

DHB: Das Klima und die Klimaziele sind auch der Grund, weshalb die sogenannte Kohlekommission gegründet wurde. Die Erwartungen in der Region an das Gremium sind hoch? Wie ist es bei Ihnen?

Klaus Freytag: Mir ist wichtig, dass es sich nicht um eine Kohlekommission handelt, sondern um die Kommission für Strukturentwicklung und Wachstum. Das steht im Vordergrund und ist zugleich die Messlatte. Der hohe Druck ist schon richtig. Wenn sie den nicht haben, geht der Lagerkampf ungezügelt weiter. Die Kommission wird ein Ergebnis vorlegen. Ob dieses dann in die Realität umgesetzt wird, entscheidet der Bundestag. Ich denke aber, dass wir am Ende des Tages ein Datum für den Kohleausstieg präsentiert bekommen. Aber vor dem Datum müssen die Konzepte für die „neue Lausitz“ stehen.

DHB: Kritiker bemängeln, dass zu wenig technischer Verstand in der Kommission sitzt. Also Menschen, die bewerten können, ob das, was beschlossen wurde, überhaupt machbar ist. Was sagen Sie?

Klaus Freytag: Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Es geht um Versorgungssicherheit, die Bezahlbarkeit von Strom und damit verbunden um Standortvorteile. Ich gehe davon aus, dass sich hier die Industrie und das Handwerk über ihre Verbände nochmals deutlicher positionieren und ihre Meinung lauter äußern werden.
Diejenigen, die seit Jahren über einen schnellen Kohleausstieg reden, sind extrem gut aufgestellt, top vernetzt bis hin in alle Ministerien. Die wissen, wie sie ihre Botschaften verkaufen. Da haben wir noch Nachholbedarf.

DHB: Der Strukturwandel der Lausitz spielt auch auf europäischer Ebene eine Rolle. Sie waren unlängst in Brüssel. Was können wir von der EU erwarten?

Klaus Freytag: Brüssel wird mit hoher Wahrscheinlichkeit innovative Projekte unterstützen. Inwieweit sich die EU finanziell in der Lausitz engagiert, muss man schauen. Wir sind eine von über 40 Kohleregionen in Europa.
Was wir aber noch von der EU erwarten ist, dass Mittel aus Fördertöpfen schneller und leichter bereitgestellt werden. Die Regularien, wie das Geld zum Handwerks- oder zum Industriebetrieb kommt, müssen einfacher werden. Das versuchen wir in Brüssel zu platzieren. Hinter einem Euro Fördermittel verbergen sich manchmal 80 Cent Bürokratieaufwand. Da ist es uninteressant, diese Fördermittel abzugreifen.

DHB: Sie haben in Brüssel auch unser Projekt „Digitalisierung der Bauwirtschaft“ vorgestellt. Wie kam das an?

Klaus Freytag: Brüssel braucht immer wieder mal eine Erdung. Wenn man da die Chance hat, ganz konkrete und hochinnovative Projekte des Handwerks vorzustellen, kommt das extrem gut an. Wir konnten zeigen, dass Handwerk nicht nur Tradition sondern vielfach auch modern ist. Und solche Ideen und Projekte will man unterstützen.

Michel Havasi

Pressearbeit

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