Arno Reckers, Sommerkonzerte
HWK Cottbus

"Wir haben viel getan, dass die Berliner ihr Umland neu entdecken."

Mehr als 600 Konzerte an über 200 verschiedenen Orten im Land haben die Brandenburgischen Sommerkonzerte seit ihrer Gründung 1991 veranstaltet. Im DHB-Interview spricht Arno Reckers (60), Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH, über die Faszination und die Einzigartigkeit der kulturellen Landpartie.

DHB: Herr Reckers, am Sonntag steigt das Eröffnungskonzert in der Marienkirche in Frankfurt (Oder). Schon aufgeregt?

Arno Reckers: Natürlich. Jedes Konzert ist anders, da es so noch nie an diesem Ort gespielt wurde. Es tauchen immer wieder neue Ungereimtheiten auf, die flexibel gelöst werden müssen. Seit Wochen steigt mein Adrenalinpegel kontinuierlich an. Nur anmerken darf man es mir nicht. Im Zentrum des Hurrikans ist es immer am ruhigsten. Das soll auch so bleiben.

DHB: Auf was können sich die Besucher in diesem Jahr freuen?

Arno Reckers: Auf alles. Ich würde kein einziges Konzert außen vorlassen. Es ist ein bunter Blumenstrauß von verschiedenen Geschichten und ungewöhnlichen Formaten. Wir kombinieren bei kleinen Kammerkonzerten zum Beispiel Tuba mit Klavier, Tuba mit Cello oder Trompete mit Klavier. Diese Formate werden sehr stark frequentiert, weil es sehr ungewöhnliche Formate sind.

Die großen Konzerte mit Orchestern und mit großen internationalen Solisten wie Sergey Dogadin (Russland) und Geigerin Midori (Japan) sind die Highlights. Das ist sehr ungewöhnlich, dass solche Koryphäen in Brandenburg spielen. Darüber hinaus gibt es an vielen Orten Freundeskreise, die selbst noch ein Rahmenprogramm auf die Beine stellen. Das ist eine wunderbare Ergänzung zu den Konzerten und macht uns und unser Programm so einzigartig.

DHB: Mit Russland haben Sie erstmals ein Partnerland mit an Bord. Dessen Rolle in Syrien, sein Umgang mit regierungskritischen Künstlern usw. steht öffentlich in der Kritik. Wurde Ihre Entscheidung angezweifelt?

Arno Reckers: Nein, wieso auch. Wir haben uns frei von irgendwelchen politischen Geschichten für Russland entschieden. Das geht. Es waren ausschließlich kulturelle Aspekte, die eine Rolle gespielt haben. Es gab auch keine Sponsoren, d.h. es ist auch kein russisches Geld geflossen. Die Musik Russlands, die Komponisten, die Interpreten und auch die Literatur stehen im Mittelpunkt. Wir nennen es Kulturreich Russland.

DHB: Der mehrfach ausgezeichnete russische Solist Sergey Dogadin (Violine) spielt zum Auftakt mit dem Philharmonischen Orchester des Staatstheaters Cottbus. Letzteres wird nicht mehr unter Leitung von Evan Christ auftreten.  Der Generalmusikdirektor wurde nach Vorwürfen an seinem Führungsstil beurlaubt, sein Vertrag soll aufgelöst werden. Wie ist Ihre Meinung zu den Ereignissen in Cottbus?

Arno Reckers: Ich bedauere das sehr. Die Zusammenarbeit mit Evan Christ und Martin Schüler (Anmerkung: Der Intendant des Staatstheaters hat seinen Rücktritt angekündigt.) in der Vergangenheit war sehr produktiv. Wir haben tolle Projekte gemeinsam gemacht. Das war immer eine sehr angenehme Zusammenarbeit, die ich definitiv vermissen werde. Evan Christ wird sicher eine Lücke nicht nur in Cottbus hinterlassen, sondern auch bei denen, mit denen er sonst im Land Brandenburg zu tun hatte.

DHB: Die Ursprungsidee der Sommerkonzerte nach ihrer  Gründung 1990 war, Westberlinern Zugang zu kulturellen Angeboten im Umland zu bieten. Ist das Ziel erreicht?

Arno Reckers: Ja. Wir haben einiges getan, dass die Berliner ihr Umland neu entdecken. Man sollte glauben, so ziemlich jeder Westberliner müsste schon mal in Potsdam gewesen sein. Dem scheint aber nicht so. Die Publikumszahlen aus Westberlin haben jedenfalls nicht nachgelassen. Was dazu gekommen ist, sind viele Brandenburger. In den Konzerten haben wir heute fast 50 Prozent Brandenburger. Das hat zu einer starken Vernetzung in den Orten geführt. 

In Luckau zum Beispiel findet ein großes Konzert in der Kirche statt. Da kommen auch ein paar Hundert Berliner mit. Da gibt es eine große Kaffeetafel, es wird selbstgebackener Kuchen gegessen. Das Ganze endet mit Abendliedern, die Brandenburger und Berliner gemeinsam singen. Das sind kulturelle Begegnungen, die die brandenburgischen Sommerkonzerte ausmachen. Das unterscheidet uns von anderen Veranstaltern. 

DHB: Und Sie verbinden beide Länder auf eine besondere Weise...

Arno Reckers: Genau. Man hat uns schon öfter gesagt, dass wir Fusionsvorbereiter  von Berlin und Brandenburg sind. Nur die Politik hängt noch ein wenig hinterher.

DHB: Sie gehen mit Ihren Konzerten in die Fläche. Erreichen Sie damit auch ein anderes Publikum als jenes, was sonst in Opern und Theatern sitzt?

Arno Reckers: Ich denke schon. Nehmen wir das Beispiel in Stechau, in Elbe-Elster. Dort veranstalten wir schon traditionell ein Open-Air-Konzert im August, zu dem mehr als 2.000 Menschen kommen. Darunter sind vielleicht 400 bis 500 Berliner, der Rest kommt aus dem Landkreis. Das ist ein Must-Go geworden, ein Event, wo es konsequent klassische Musik von Dvorák über Mozart bis hin zu Beethoven gibt. Aber auf der Wiese vor dem Schlosspark sitzt ein bunt gemischtes Publikum, das weit über die Klassik-affinen Menschen hinausgeht. Wir erreichen so besonders auch jüngere Menschen.

DHB: Mit sieben Konzerten fing alles 1991 an. Heute sind es mehr als 600. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Arno Reckers: Das zeigt die Kraft, die hinter dieser Idee steckt. Wir schaffen gemeinsam Kultur zwischen Stadt und Land, zwischen unterschiedlichen kulturellen und sozialen Voraussetzungen. Das ist eine Idee, die mich schon 2004, als ich zu den Brandenburgischen Sommerkonzerten kam, sehr begeistert hat. Und sie begeistert mich auch heute noch. Das ist jeden Tag meine große Motivation.

DHB: Es ist aber auch eine große Herausforderung, wenn man bedenkt, dass Sie bei der Finanzierung ohne öffentliche Mittel auskommen...

Arno Reckers: Das stimmt. Wir müssen uns jedes Jahr neu erfinden. Mit Spenden und Sponsoren haben wir zum Glück eine große Unterstützung. Vor allem die brandenburgischen Sparkassen und die ostdeutsche Sparkassenstiftung stehen uns wirklich treu zur Seite. Ohne ihre Hilfe wäre es nicht möglich, dieses Festival in dieser Form durchzuführen. Sie geben mir ein gutes Gefühl, was mich etwas ruhiger schlafen lässt.

DHB: Wann können sie mal nicht schlafen?

Arno Reckers: Wenn es sich die Sparkassen anders überlegen sollten (lacht). Das Interview führte Michel Havasi

 Hintergrund

Die Brandenburgischen Sommerkonzerte sind ein Musikfestival, das jährlich von Mitte Juni bis Mitte September an historischen Spielstätten im ganzen Land Brandenburg stattfindet.

Das künstlerische Programm stützt sich auf drei Säulen: Das Engagement international gefeierter Solisten und Ensembles, die Kooperation mit brandenburgischen Orchestern sowie die Förderung des künstlerischen Nachwuchses.

Der Jahresetat der Brandenburgische Sommerkonzerte gGmbH liegt bei rund 650.000 Euro. Vier Mitarbeiter sind beschäftigt. Hinzu kommen saisonale Kräfte. www.brandenburgische-sommerkonzerte.org



 Karten für die Sommerkonzerte

So kommen Sie an Karten:

a) Kartentelefon 01806-999 000 222

b) Kartenfax 01805-805733

c) Karten im Internet

Unter www.brandenburgische-sommerkonzerte.org zum Versand oder als Selbstausdruck, außerdem bei den meisten Vorverkaufskassen. Tickets sind bis Freitagmittag buchbar für Veranstaltungen am selben Wochenende. Am Konzerttag ausschließlich an der Tageskasse, die eine Stunde vor Beginn öffnet.

d) Karten in der Geschäftsstelle, Schillerstraße 94, 10625 Berlin, montags bis donnerstags 9-14Uhr und freitags  9-12 Uhr.