Fliegen

Müssen Reisezeiten ins Ausland vergütet werden?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob Reisezeiten zu vergüten sind, wenn ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland entsendet (Urt. v. 17.10.2018, 5 AZR 553/17)

Sachverhalt

Der Kläger war ein Arbeitnehmer, der bei dem beklagten Bauunternehmen als technischer Mitarbeiter (Bauleiter) beschäftigt und arbeitsvertraglich verpflichtet war, auf wechselnden Baustellen für Inspektionen und Montagen im In- und Ausland zu arbeiten. Für das Arbeitsverhältnis galt der Rahmentarifvertrag für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes (RTV-Bau). Dieser sah für die An- und Abreise zu bzw. von Arbeitsstellen ohne eine tägliche Heimfahrt ab einer bestimmten Entfernung vom Betrieb für die erforderliche Reisezeit einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes vor.

Von August bis Oktober 2015 wurde der Kläger auf eine Baustelle nach China entsandt und auf seinen Wunsch hin buchte sein Arbeitgeber für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Duabi. Für die vier Reisetage  (sowohl An- als auch Abreise dauerten jeweils zwei Tage) zahlte das Unternehmen dem Kläger die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden.

Die Partein stritten infolgedessen um die Vergütung der Reisezeiten, die über diese reguläre Arbeitszeit hinausgingen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage des Arbeitnehmers in erster Instanz mit der Begründung ab, die Regelungen des RTV-Bau zur Vergütung von Reisezeiten seien nicht auf Flugreisen ins Ausland anzuwenden. Zudem scheiterte ein Anspruch aus § 612 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf eine nach den Umständen zu erwartende Vergütung daran, dass Reisezeiten, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, durch die überbetriebliche Vergütung des Arbeitnehmers bereits abgegolten seien.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben und demgegenüber die Auffassung vertreten, dass der RTV-Bau. der räumlich für die Bundesrepublik Deutschland gelte, auch im vorliegenden Fall Anwendung finde. Denn es komme auf den Sitz des Betriebes und gerade nicht auf den Tätigkeitsort des Arbeitnehmers an. Die Regelung des RTV-Bau zur Vergütung von Reisezeiten sei somit anwendbar, insbesondere umfasse diese auch Flugreisen ins Ausland. Deshalb bestehe ein Vergütungsanspruch aus dem Tarifvertrag und aufgrund dieser speziellen Vergütungsregelung scheide ein (weitergehender) Anspruch - hier auf die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen - aus § 612 Abs. 1 BGB aus.

Hiergegen legte das beklagte Bauunternehmen Revision zum BAG ein, die zumindest teilweise Erfolg hatte.

Entscheidung des BAG

Das BAG schloss sich im Grundsatz der Argumentation des LAG an.

Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und sind deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten. Erforderlich sei dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfalle, so die BAG-Richter.

Mangels ausreichender Feststellungen des Landesarbeitsgericht zum Umfang der tatsächlich erforderlichen Reisezeiten des Klägers könne das BAG in der Sache jedoch nicht abschließend entscheiden und hat sie deshalb unter Aufhebung des Urteils des LAG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.



Fazit der Entscheidung

Hätte der Kläger einen regulären Economy-Class-Direktflug genommen (anstatt Business-Class-Flugs), hätte er wohl vollumfänglich vor dem BAG obsiegt.

Solange noch keine schriftlichen Urteilsgründe vorliegen bleibt jedoch unklar, ob der dem Kläger zugespochene Vergütungsanspruch aus tarifvertragliche Grundlage oder die allgemeinen Regelung des § 612 Abs. 1 BGB gestützt wird. Bisher liegt nur die Pressemitteilung vor.



Was heißt das für die Praxis?

Auch nach dieser Entscheidung des BAG wird das Thema von Reisezeiten weiterhin streitbar bleiben. Dies gilt insbesondere, wenn - im Gegensatz zu dem entschiedenen Fall - weder eine tarif- noch arbeitsrechtliche Regelung zur Behandlung von Reisezeiten existiert. Zudem ist das Urteil gerade nicht so zu deuten, dass Reisezeiten für alle Arbeitnehmer stets als Arbeitszeit gelten.

Anne-Kathrin Selka

Rechtsberaterin

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