Vorstandsvorsitzender der ILB Tillmann Stenger
ILB (Uwe Klössing)

"Wir können uns über mangelnde Nachfrage nach Fördermitteln nicht beklagen."

Mehr als 700 Millionen Euro Fördermittel hat die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) zur Jahresmitte bereits zugesagt. „Damit liegen wir deutlich im Plus. Ursprünglich war eine Milliarde Euro für das gesamte Jahr geplant“, sagt der Vorstandsvorsitzende Tillmann Stenger.

Im Interview mit dem Deutschen Handwerksblatt (DHB) sagt er, welche Programme gut laufen und vor welchen Herausforderungen die Landesbank steht.

DHB: Herr Stenger, Sie verteilen jedes Jahr sehr viel Geld im Land und fördern so die Wirtschaft. Rund 1,34 Milliarden Euro waren es in 2018. In diesem Jahr liegen Sie deutlich über den Planzahlen. Welche Programme laufen derzeit gut?

Tillmann Stenger: Das wichtigste Wirtschaftsförderprogramm „GRW“ läuft im ersten Halbjahr richtig gut. Das betrifft sowohl die große als auch die kleine Richtlinie, also die breite Förderung des Mittelstands.

Der Innovationsgutschein für Digitalisierungsmaßnahmen - BIG Digital - ist weiterhin der Renner. Das Thema Digitalisierung ist in vielen Betrieben praktisch angekommen ist. Was ebenfalls gut nachgefragt wird, ist das Programm RENplus. Hierbei geht es insbesondere um Fragen der Energieeffizienz. Solche Projekte verursachen wie Digitalisierungsprojekte hohe Kosten, weshalb Fördermittel hier gut eingesetzt sind. Darüber hinaus entwickelt sich die Weiterbildungsrichtlinie bislang erstaunlich gut. Wir haben schon 3,7 Millionen Euro bewilligt, fünf Millionen hatten wir uns für das gesamte Jahr vorgenommen. Wir können uns über eine mangelnde Nachfrage nach Fördermitteln nicht beklagen.

DHB: Sie haben GRW bereits angesprochen. Der Bund will die GRW-Förderung – das wesentliche Investitionsprogramm für die Wirtschaft im Lande – neu konzipieren. Können Sie uns Aspekte der Novellierung benennen?

Tillmann Stenger: Da gibt es derzeit Überlegungen. Details sind aber noch nicht spruchreif. Wir sind zuversichtlich, dass das Förderangebot attraktiv bleibt.

DHB: Was würden Sie sich für Veränderungen wünschen?

Tillmann Stenger: Die GRW ist in einem Bundesgesetz geregelt. Es stammt aus einer Zeit, in der wir überall Arbeitsplatzmangel hatten. Heute haben wir eher Fachkräftemangel und die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Wenn man dann eine Förderung an die Voraussetzung knüpft, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, dann ist das im Einzelfall schwierig.

Eine weitere Voraussetzung, die überdacht werden sollte, ist die, dass 50 Prozent des Umsatzes in der Betriebsstätte überregional erbracht werden müssen. Wir sehen im Rahmen des Stadt-Umland-Wettbewerbes, dass gerade die KMU-Förderung, die dieses Kriterium nicht beinhaltet, sehr gut angenommen wird. Würde man auch beim Thema des überregionalen Absatzes Erleichterungen zulassen, so kann das innerstädtische Wirtschaftsstrukturen stärken. Das ist vielleicht ein Signal an den Bund, diesen Punkt im Rahmen der GRW-Novellierung zu ändern.

DHB: Seit es  Förderung gibt, gibt es auch Klagen über eine zu hohe Bürokratie. Kann man Förderung auch einfacher machen?

Tillmann Stenger: Mehr als 5200 Förderbescheide haben wir letztes Jahr zugesagt. Es ist klar, dass Förderung immer mit einem Antragsprozess verbunden ist, über den so mancher stöhnt. Letztlich müssen wir bestimmte Angaben haben. Da kommt man nicht drum herum, es handelt sich schließlich um Steuergelder.

Wir versuchen ständig, unsere Prozesse stärker zu digitalisieren und weiter zu verbessern.  Das heißt, wir fragen uns intern immer, geht es auch einfacher? Das ist unser Anspruch. Wir haben ein Kundenportal auf Basis von SAP eingeführt, sodass die Kunden Förderanträge online stellen, ihre Bescheide online bekommen usw. Die erste Version dieses Portals war leider nicht sehr anwenderfreundlich. Wir haben dann im Mai unser optimiertes Kundenportal 2.0 für alle neuen Programme scharf geschaltet. Damit sind die Kinderkrankheiten hoffentlich überwunden.

DHB: 117 Förderprogramme verwalten Sie derzeit. Wenn Sie selber entscheiden könnten, für welches Thema, für welchen Sektor würden Sie ein neues Programm kreieren?

Tillmann Stenger: Ich präferiere drei Punkte. Erstens: Wir müssen die Mobilität zwischen Berlin und Brandenburg und zwischen den ländlichen Regionen in Brandenburg in jeglicher Weise fördern. Menschen auf dem Lande sollten die für sie wichtigen Orte und Bereiche in einer Stunde erreichen – egal wo sie leben. Dazu gehören Krankenhäuser, Ärzte, Schulen, Kultureinrichtungen usw. Schaffen sie das nicht, sind diese Lebensräume nicht lebenswert.

Zweitens: Wenn wir aus der Braunkohle aussteigen, müssen wir den Strukturwandel aktiv begleitend dafür sorgen, dass Brandenburg wieder das Land der Erneuerbaren Energien Nummer Eins wird.

Der dritte Punkt ist unbestritten die Digitalisierung. Wir müssen schauen, dass wir die einzelnen Förderprogramme noch stärker auf die Anforderungen ausrichten, die das Megathema an die Menschen stellt. Digitalisierung selbst ist immer etwas Agiles. Vielleicht muss an der Stelle auch die Förderpolitik etwas agiler werden.

DHB: Die Digitalagentur Brandenburg, eine 100-prozentige Tochter der ILB, nimmt in den kommenden Wochen Fahrt auf. Welche Ziele verfolgt die Agentur?

Tillmann Stenger: Sie wird zu 100 Prozent vom Wirtschaftsministerium gefördert und soll mithelfen, wichtige Projekte im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des Landes umzusetzen. Das erste Projekt ist die Umsetzung der Schul-Cloud. Es gibt eine Kooperationsvereinbarung mit dem Hasso-Plattner-Institut in Potsdam (HPI), der Digitalagentur und dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. Die im HPI für die MINT-Schulen entwickelte Cloud soll auf Brandenburg angewendet werden. Das ist eine Art Portal, wo Lehrer, Schüler, Eltern und Verlage Schule in digitalisierter Form neu organisieren können.

Das Projekt wird anfangs mit 51 Pilotschulen umgesetzt und soll dann auf alle 850 Schulen in ganz Brandenburg ausgerollt werden. Die Herausforderung ist groß. Wir müssen die Cloud einführen, anwenden, in den Unterricht integrieren. Dahinter stecken auch 20.000 Lehrer, die geschult werden müssen. Dieser Prozess wird sich über mehrere Jahre ziehen. Für das Projektmanagement ist die Digitalagentur Brandenburg mit zuständig.

Projekte ähnlicher Art im Bereich Gesundheit, smarter Lösungen für Städte und ländliche Räume usw. wollen wir in Zukunft über die Digitalagentur umsetzen.

DHB: Warum ist die Digitalagentur bei Ihnen angesiedelt?

Tillmann Stenger: Digitalisierung betrifft nicht nur die Wirtschaft, sondern fast alle Bereiche des Lebens. Wir als ILB sind im Auftrag aller Ressorts der Landesregierung tätig und haben in der Zusammenarbeit viele Erfahrungen gesammelt. Insofern ist dieser ressortübergreifende Ansatz ganz sinnvoll. Zudem gibt es zwischen Projekten der Digitalagentur und Förderprogrammen auch Synergieeffekte.

Zum Beispiel sind wir als Förderbank beauftragt worden, den Digitalpakt Brandenburg umzusetzen. 151 Millionen Euro kann das Land Brandenburg in den nächsten Jahren einsetzen, um die digitale Ausstattung der Schulen zu verbessern. Die Cloud kann ja auch nur erfolgreich implementiert werden, wenn die Schulen entsprechende digitale Voraussetzungen haben. Insofern ergeben sich da die einen oder anderen Synergieeffekte. Die Digitalagentur in der Form ist bundesweit einzigartig. Wir müssen jetzt den Beweis antreten, dass das Modell aufgeht.  

Mit Tillmann Stenger sprach Michel Havasi

 Hintergrund

Im Jahr 2018 konnte die ILB im Auftrag des Landes und über ihre Eigenprodukte die Anzahl der geförderten Vorhaben auf 5.210 und damit im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Viertel steigern. Das Zusagevolumen erreichte dabei mehr als 1,3 Milliarden Euro. Durch die Förderungen werden Investitionen von 2,1 Milliarden Euro ausgelöst.

Mit den Geldern werden mehr als 4.500 Wohneinheiten neu gebaut oder modernisiert und 10.000 Arbeitsplätze neu geschaffen, beziehungsweise gesichert. Darüber hinaus profitieren 38.000 Menschen von einer breiten Palette an Bildungs-, Qualifizierungs- und Teilhabeprojekten.



 Zukunftspreis

In diesem Jahr ist die ILB Premiumpartner des Zukunftspreis Brandenburg. Der Zukunftspreis Brandenburg wird seit dem Jahr 2014 gemeinsam von den Wirtschaftskammern in Brandenburg ausgeschrieben und veranstaltet.

Zwölf Unternehmen sind für den wichtigsten Wirtschaftspreis des Landes nominiert. Am 22. November werden die Sieger in Schönefeld gekürt.

www.zukunftspreis-brandenburg.de